Die städtische Einrichtung in Farmsen-Berne soll nun saniert werden

In den mehr als 50 Jahren seines Bestehens hat das Berufsförderungswerk Hamburg (BFW) Tausenden Menschen mit gesundheitlichen Problemen eine neue Berufsperspektive eröffnet. Nun werden viele der 300 Mitarbeiter auf schmerzliche Weise die andere Seite ihres Jobs kennen lernen und müssen sich selbst etwas Neues suchen – denn das BFW hat beim Amtsgericht Insolvenz angemeldet.

Dass ein städtisches Unternehmen Insolvenz anmeldet, ist schon selten genug. Dass es sich dabei ausgerechnet um ein Berufsförderungswerk handelt, das nun massiv Jobs abbauen muss, macht die Geschichte fast absurd. Daher hatte der Senat auch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um diesen Schritt zu verhindern. Unter anderem stellte die Stadt dem BFW, das unter einem Schuldenberg von 25Millionen Euro stöhnt, im vergangenen Jahr ein Darlehen über 4,5Millionen Euro zur Verfügung, das die Zahlungsfähigkeit bis ins Frühjahr 2013 gewährleistete. Parallel wurde ein Sanierungskonzept erarbeitet, das unter anderem den Verkauf von mehreren Grundstücken am Standort Farmsen-Berne, einen Abbau von rund 170 der derzeit 308Vollzeitstellen und einen Schuldenschnitt vorsah. Die Gläubiger sollten auf 35Prozent ihrer Forderungen verzichten – dafür war die Stadt auch bereit, ihr Darlehen in einen dauerhaften Zuschuss umzuwandeln.

Am 10.Januar hatten fast alle Gläubiger – unter anderem die Deutsche Rentenversicherung, das Bundesarbeitsministerium und die Kreditanstalt für Wiederaufbau – dem Sanierungskonzept zugestimmt, und das BFW schien bereits gerettet. Als einziger Gläubiger hatte die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) als Dachverband der Berufsgenossenschaften noch Bedenken und ließ ein Gutachten erstellen. Dabei ging es einzig um die Frage, ob sich die Vorstände der Genossenschaften eventuell strafbar machen, wenn sie auf 35Prozent ihrer Forderungen verzichten, wo im Rahmen einer Insolvenz theoretisch 100Prozent bedient werden könnten. Die Berliner Kanzlei Ignor & Partner kam zu dem Ergebnis: „Die Zustimmung würde einen Vermögensnachteil bedeuten“, wer das empfehle, komme als „Gehilfe einer Untreue in Betracht“. Die DGUV sprang daraufhin aus dem Kreis der Retter ab.

Da das Sanierungskonzept für das BFW aber nur zustande kommen sollte, wenn alle Gläubiger zustimmen, war der Rettungsplan geplatzt – es blieb nur die Insolvenz. „Ich bedauere sehr, dass der Schuldenschnitt trotz unserer intensiven Bemühungen und auch unseres finanziellen Engagements nicht zustande kam und sich die Insolvenz nun nicht vermeiden lässt“, sagte Sozialsenator Detlef Scheele. Der Senator machte keinen Hehl aus seinem Ärger über das Verhalten der DGUV. „Aus unserer Sicht ist dieses Gutachten fragwürdig“, sagte Scheele. Denn es untersuche einzig die Auswirkungen auf die Vermögenslage der Berufsgenossenschaften und ignoriere deren gesetzlichen Auftrag, Reha-Einrichtungen zu fördern. Diese Sichtweise teilen sogar Mitglieder der DGUV wie die Berufsgenossenschaft Transport und Verkehrswirtschaft. Sie schrieb Scheele, dass sie die Haltung ihres Dachverbands nicht teile und den Erhalt des BFW „außerordentlich begrüßen“ würde. BFW-Geschäftsführer Jens Mohr strebt jetzt ein geordnetes „Schutzschirmverfahren in Eigenverantwortung“ an, wonach die Geschäfte zunächst weiterlaufen könnten. Diesem hat das Amtsgericht auch zugestimmt, um den Sanierungsplan doch noch umsetzen zu können. Ziel ist es, die Palette an Reha-Angeboten deutlich zu reduzieren und künftig nur noch 160Teilnehmer pro Halbjahr aufzunehmen. Derzeit werden 780Rehabilitanden in vier Semestern betreut – die Maßnahmen dauern jeweils zwei Jahre. In Spitzenzeiten hatte das 1962 gegründete BFW bis zu 2000Menschen gleichzeitig bei der Rehabilitation und der Qualifikation für einen neuen Beruf geholfen.

Doch die wachsende Konkurrenz durch private Wettbewerber hat ihm arg zugesetzt – zumal diese nicht nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bezahlen müssen und keine eigenen medizinischen, psychologischen und sozialpädagogischen Dienste vorhalten. Die Stadt ist in einer Zwickmühle. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern, in denen die Berufsförderungswerke von der Rentenversicherung betrieben werden, gehört ihr das BFW zu 100Prozent. Die Belegung steuern aber vor allem Einrichtungen des Bundes.

Daher sieht Scheele diese auch vorrangig in der Pflicht, für den Erhalt zu sorgen. Dass es im Rahmen der Insolvenz doch noch eine Lösung für ein abgespecktes BFW gefunden wird, hält er zumindest für „nicht ausgeschlossen“.

Das hoffen auch die Mitarbeiter. Ihre Gehälter sind zwar bis auf Weiteres gesichert. Doch die Insolvenz ist ein schwerer Schlag. Denn das Sanierungskonzept sah auch einen Sozialplan mit Abfindungen vor – dafür wird nun voraussichtlich deutlich weniger Geld zur Verfügung stehen, weil vermutlich Gläubiger vorrangig bedient werden müssen.

Ich bedauere sehr, dass sich die Insolvenz nun nicht vermeiden lässt.