Seitdem ich Müll als Wertstoff betrachte, hat sich mein Leben verändert. Anstatt sozialer Kontakte pflege ich inzwischen mein gutes Gewissen, und das liegt an Frau Klopstock.

Frau Klopstock wurde von unserer Niedrigenergie-Hausgemeinschaft einstimmig als Wertstoffbeauftragte ernannt, und die frühere Sozialkunde- und Ethiklehrerin, die wegen einer Schülerallergie frühpensioniert wurde, nimmt ihre neue Aufgabe sehr genau.

Schon kurz nach meinem Einzug wurde ich von ihr zum 14-tägigen Müllvermeidungsseminar eingeladen, das für alle neuen Mieter Pflicht ist. Selbstverständlich stornierte ich meine Urlaubsreise nach Andalusien und lernte lieber; unter anderem, wie man copolymere- und homopolymere Polyäthylen-Tüten voneinander unterscheidet und wie man sie jeweils entsorgt. Das machte allerdings nicht so viel Spaß wie die praktischen Übungen „Joghurtbecher reinigen – aber richtig!“ oder „Flaschenbürsten – auf die Größe kommt es an!“

Moment! Habe ich etwa vergessen zu erwähnen, dass Frau Klopstock meine gelben Säcke jetzt, nach dem ersten Trennungsjahr, auf dem Gang zu den Wertstofftonnen nur noch stichprobenartig kontrolliert?

Entschuldigung, aber mein Sohn hat mir gerade eröffnet, dass er sein Medizinstudium geschmissen habe. Er sattele jetzt um. Auf Müllmann. Auf einen Beruf mit Zukunft.