Sebastian Dunkelberg wollte Geistlicher werden. Er ging zum Theater – und schult jetzt Pastoren

Wo fühlt sich ein Mensch zu Hause? Dort, wo er sich selbst treu bleiben kann. Wo er eine Ansprache findet, die er versteht. Wo er in seinen Schwächen gehalten und in seinen Stärken bestärkt wird. Es gibt Zeiten im Leben, da braucht der Mensch diesen Ort. Um aufzutanken und sich fallen zu lassen. Und es gibt Zeiten, da braucht man die Distanz, um sich abzunabeln, neue Wege zu gehen, sich auszuprobieren. Vielleicht lässt sich die Rolle der Kirche im Leben des Hamburger Schauspielers Sebastian Robert Maria Dunkelberg auf diese Weise am treffendsten beschreiben. Als einen Ort, an dem er viel über sich gelernt hat. Die Kirche hat ihn geprägt. Ohne sie wäre er nicht dort, wo er heute steht.

Sebastian Dunkelberg ist 49 Jahre alt, groß, schlank. Er ist ein nachdenklicher Mensch. Einer, der gut zuhören kann. Das ist eine seiner Stärken. Auch deshalb wollte er Theologe werden. Es kam anders. Er wurde Schauspieler. Steht auf der Bühne, macht Lesungen, spricht Hörspiele und arbeitet als Coach für Priester. Wie das zusammenpasst, begreift man erst, wenn man genauer hinschaut. Dann wird plötzlich aus einer Biografie mit scheinbaren Brüchen der nachvollziehbare, spannende und schlüssige Lebensweg einer starken Persönlichkeit. „Ich habe nie etwas aus Verlegenheit gemacht, sondern weil ich es wirklich wollte“, sagt er. „Ich habe immer Verantwortung übernommen für das, was ich tue. Auch wenn ich viele verschiedene Baustellen aufgemacht habe, so schließen sich am Ende doch immer wieder die Kreise.“

Sebastian Dunkelberg wird am 5.Juli 1963 in Blankenese geboren. Er ist das siebte von acht Kindern. Es ist eine behütete Kindheit in einem turbulenten Haus. Sebastian ist der Ruhige. Er ist anderen zugewandt. Und in seinen Freundschaften treu. Was ihm fehlt, ist Aufmerksamkeit. Er findet sie schließlich in der katholischen Kirche.

Die Gemeinde Maria Grün lädt ihn zur Glaubenswoche ein, da ist er 14Jahre alt. Er kommt aus Neugier und bleibt aus Überzeugung. Viele intensive Jahre engagiert er sich in der Jugendarbeit, wird Messdiener und Pfarrjugendvertreter. „Ich hatte das Gefühl, ich komme nach Hause“, sagt er. Er ist für die Menschen jemand, den sie als Vertrauten zu Rate ziehen. Bei einem Besuch der Grotte von Massabielle am Wallfahrtsort Lourdes hatte er folgendes Erlebnis: „Ich spürte, dass es meine Berufung ist, mich in den Dienst des Menschen zu stellen. Irgendjemand sagte mir, dass ich Priester werden solle.“ Er schlägt diesen Weg ein. Obwohl er tief im Herzen Schauspieler werden will.

Als Papst Johannes Paul II. stirbt, kehrt er zur Kirche zurück

Zwei Jahre hält er im Priesterseminar in Frankfurt durch. Dort, in St.Georgen, verbringt er seine Zeit am liebsten in der Theatergruppe. Schließlich fällt er durchs Vordiplom. Er bittet um eine Auszeit. „Und kaum war ich raus, war ich ein anderer Mensch, fühlte mich frei“, sagt er. Er besucht eine private Schauspielschule und bekommt ein erstes Engagement in Gießen. Einen Zweijahresvertrag in Trier kündigt er. Er macht die Erfahrung, wie schwer es ist, in seinem Traumberuf Fuß zu fassen. Zehn Jahre muss er von Sozialhilfe leben. Dann beschließt er, freiberuflich zu arbeiten.

In dieser Zeit entscheidet er sich, aus der Kirche auszutreten. Er hat das Gefühl, sich abnabeln zu müssen, hadert mit der „Doppelmoral“ und dem Umgang der Menschen miteinander unter dem „Deckmantel des Christlichseins“. Er lernt seine Frau Rita kennen, bekommt einen Sohn und eine Tochter. Als im April 2005 Papst Johannes PaulII. stirbt und er sich mit seinem Sohn Aaron die Bilder der Trauerfeier im Fernsehen anschaut, muss er weinen. „Plötzlich war mir klar, dass die Kirche, bei aller Kritik, für mich eine Heimat ist, ein Ort, an dem ich Wurzeln habe“, sagt er. Es ist eine bewegende Heimkehr, gefeiert in der Gemeinde Herz Jesu Reinbek. Mit Trauung.

Doch die Kirche bekommt noch eine größere Bedeutung. Sie wird zu seinem Auftraggeber, bucht den Schauspieler als Coach in der Priesteraus- und -weiterbildung. Und so schult Dunkelberg regelmäßig Pastoren in Rede und Auftritt. „Ich möchte, dass der künftige Pfarrer oder Priester lernt, eben keine Rolle zu spielen, sondern der Gemeinde so echt wie möglich gegenüberzutreten“, erklärt Dunkelberg. „Deshalb arbeite ich an der Persönlichkeit. Je überzeugender man sein will, desto authentischer muss man auch sein. Wir sagen immer ‚das lebendige Wort Gottes‘, aber es klingt wie ‚alte Socke‘.“ Also zeigt er den Priestern, wie sie reden sollen. Zu den Menschen. Nicht von oben herab. Locker, auch mal laut. Aber immer echt.