Eigentümer lassen Villen an der Alster seit Jahren unbewohnt. Gesetz nimmt Besitzer in die Pflicht

Vom Balkon im zweiten Stock an der Bellevue24 genießt man einen der schönsten Ausblicke der Stadt. Abendsonne, freie Sicht auf die Außenalster. Doch den Ausblick kannniemand genießen. Wer sich die alte Villa genauer anschaut, merkt schnell: Die oberen Etagen stehen leer, und das schon seit acht Jahren. Eine einzige Nutzerin wohnt noch im Erdgeschoss. Der Eigentümer soll die Sanierung verweigern. Das Bezirksamt Nord will den Fall nicht kommentieren: „Wegen laufender zivilrechtlicher Verfahren kann nichts Genaues gesagt werden, die Eigentums- und Nutzungsrechte sind hier sehr kompliziert“, sagt Bezirkssprecherin Katja Glahn.

Es sind Beispiele wie diese, die den Senat dazu bewogen haben, das Wohnraumschutzgesetz von 1982 zu verschärfen. Sofortige Meldepflicht, maximaler Leerstand von drei statt bislang sechs Monaten, Bußgeld von bis zu 50.000Euro bei Verstößen.

Eigentümer wie Bertram R. könnten durch die Gesetzesverschärfung künftig sanktioniert werden. R. ist am Leinpfad Eigentümer einer Villa aus der Gründerzeit. Seit vier Jahren steht sie leer. Vor 15Monaten kündigte R. an, die Villa im folgenden Halbjahr renovieren zu wollen, nachdem er vom Bezirk einen Mahnbrief erhalten hatte. Heute hängt an dem Haus das Transparent einer Baufirma, viel mehr ist nicht passiert. Ein illegaler Leerstand liege laut Bezirk aber nicht vor, stattdessen ein Antrag zum Um- und Ausbau. „Wir rechnen damit, dass wir mit den Baumaßnahmen in Kürze beginnen können“, sagte der Hausbesitzer. Die Villa soll originalgetreu instand gesetzt werden. R. will dort Wohnungen für bis zu drei Familien realisieren.

Um Leerstände durch Verzögerungen bei Bauanträgen in Zukunft zu verhindern, will die SPD das Wohnraumschutzgesetz nach Abendblatt-Informationen noch weiter verschärfen als bislang geplant. Eigentümer sollen ihre Wohnungen bis zum Beginn von Umbaumaßnahmen zwischenvermieten. Kommen sie ihrer Pflicht nicht nach, soll die Stadt das betroffene Gebäude treuhänderisch verwalten. Bislang haben Eigentümer bei einer Abbruchgenehmigung mehrere Jahre Zeit, mit dem Bau zu beginnen.

Aus diesem Grund stehen an der Alster mehrere Villen seit Jahren leer. So wie an der Bellevue15. Der Abbruch wurde genehmigt. Die Villa soll jetzt einem Einfamilienhaus weichen. Das gleiche plant der Eigentümer an der Bellevue30. Von den sechs Wohneinheiten des Hauses ist nur noch eine belegt. Die letzte Bewohnerin wird in Kürze ausziehen. Ein Neubauantrag liegt vor. Genau wie am Leinpfad19. Die apricotfarbene Villa, seit einem Jahr leer, wird bald abgerissen. Dagegen sind die lange leer stehenden Villen aus dem Jahr 1923 an der Bebelallee10 und 11 denkmalgeschützt und dürfen nicht abgerissen werden. Der Bauherr plant eine Sanierung, die dem Bezirksamt seit mehr als einem Jahr bekannt sind. Passiert ist hier so gut wie nichts. Auch die Villa an der Straße Schöne Aussicht17 steht schon lange leer. Thomas G. will das Haus mit sechs Wohneinheiten durch einen Neubau ersetzen. Der Antrag ist seit März genehmigt. Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümer-Verbandes, verteidigt die Leerstände: „Das sind keine Spekulationsobjekte.“ Stehen Villen länger leer, sei die Ursache meist ein Erbstreit oder die Verzögerung bei der Baugenehmigung.