Wie sich „Die Stadtveränderer“ für ihren Stadtteil Hamm engagieren

Ihr ambitioniertes Ziel ist gleichzeitig Name ihres Büros und steht in bunten Buchstaben an der schweren Eingangstür aus Stahl: „Stadtveränderer“ nennt sich eine in Hamburg wohl einzigartige Bürogemeinschaft, die sich in einem Hinterhof-Loft in Hamm niedergelassen hat. Die zwölf Mieter üben unterschiedliche Berufe aus, sind Architektin, Pastor, Journalistin, Designer, Schauspieler und Rechtsanwalt. Was sie vereint ist die Absicht, sich sozial, künstlerisch oder christlich für den Stadtteil zu engagieren. Diese „freiwillige Verpflichtung“ sei Voraussetzung, bei den Stadtveränderern aufgenommen zu werden, sagen die Initiatorinnen Dorothea Pieper und Anne Albers-Dahnke. „Hamm ist ein unterschätzter Stadtteil. Wir wollen dazu beitragen, ihn zu bewegen und zu beleben.“

Das Konzept ist erfolgreich, vor Kurzem wurde der letzte der 13 weißen Designschreibtische vermietet. Während die Stadtveränderer dort für ihren Lebensunterhalt arbeiten, findet ihr Engagement für den Stadtteil im sogenannten Non-Profit-Bereich statt: einer Sitzlandschaft mit bequemen Sofas, z-förmigen Betonhockern und einer mächtigen Werkbank, auf der ein Espresso-Automat aufgebaut ist. Hier treffen sich Jugendgruppen, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen wollen, junge Künstler oder Initiatoren von Wohnprojekten. „Wir stellen unseren Raum Menschen zur Verfügung, die etwas Vernünftiges auf die Beine stellen wollen“, sagt Dorothea Pieper. Doch natürlich werden die Stadtveränderer auch selbst aktiv. Sie veranstalten Konzerte und Nachbarschaftsumtrünke, „weil wir nicht aneinander vorbeilaufen wollen“, wie Dorothea Pieper sagt. Deshalb hat sie sich auch gefreut, als sie jetzt von einer Schule gebeten wurde, beratend an einem Kunstprojekt teilzunehmen.

Ihr Mann Detlef, der neben seiner Bautechnikertätigkeit auch Pastor ist, lädt einmal im Monat zum „Hammer Gebet“. „Dabei geht es um alles, was den Stadtteil und seine Bewohner bewegt“, sagt Pastor Pieper. Ob es ein Aufzug ist für den benachbarten S-Bahnhof Hasselbrook, das Fortbestehen kleiner Läden, Kraft für die Lehrer an den Schulen oder die Entwicklung der Kinder.

Das Engagement der Piepers für Hamm dauert schon fast zehn Jahre. Damals kamen die Architektin und ihr Mann, der gerade Theologie studiert hatte, um als Pastor „mehr Verantwortung für die Menschen und die Kirche zu übernehmen“, von Siegen nach Hamburg. Während Detlef Pieper seine Pastorenstelle antrat, engagierte sich Dorothea Pieper neben ihrer Arbeit als Architektin für ihre Nachbarschaft: Eine unappetitliche Grünfläche vor ihrer Wohnung an der Caspar-Voght-Straße – „übersät von Kippen, Hundekot und Kondomen“ – bepflanzte sie mit straßenrandtauglichen Stauden.

Auf der Suche nach einem Büro – erst mal nur für ihre gemeinsame Architektenarbeit – stießen die Piepers schon vor Jahren auf das Loft am Hammer Steindamm62, in dem sie heute arbeiten. Doch mit 270Quadratmeter war es viel zu groß und außerdem stark renovierungsbedürftig. Nicht ohne Grund stand es seit Jahren leer. Doch das von Kreativen bevölkerte Haus, das 1911 gebaut wurde und seitdem Kleingewerbe beherbergt, gefiel ihnen: Zu den Mietern gehören „Caveman“ Kristian Bader, der hier seine „Baderanstalt“ betreibt, dazu Hamburgs einzige Etui-Manufaktur, ein Stoffhandel, eine Malerin, eine Werbeagentur und ein Catering-Unternehmen. Der Vermieter der Immobilie erklärte sich einverstanden, ihnen einen kleinen Teil des freien Lofts zu überlassen.

Dann tauchte plötzlich ein Interessent für die gesamte Fläche auf. Nun hieß es, schnell zu handeln. Mit Anne Albers-Dahnke, ebenfalls Anhängerin der Idee einer sozialen Bürogemeinschaft, beschlossen sie, den gemeinsamen Wunsch umzusetzen. Ihr Glück: Auch der Vermieter ließ sich auf dieses Wagnis ein.

Nach einer aufwendigen Renovierung wurden störende Wände entfernt. Dann ging es an den Ausbau. Weil nicht nur ein Ort der Kommunikation, sondern auch der Bewegung entstehen sollte, verwendete man dafür auch Material aus der Logistik. Eine große Stückgutbox mit zwei Designerstühlen ist Rückzugsort für Gespräche unter vier Augen, eine kleinere Transportbox wurde zur Telefonzelle. Neben netten Details wie einer vorsintflutlichen Stechuhr, einem alten Kaugummispender oder einem weißen Klavier gibt es in dem großen Loft auch eine Sprossenwand.

Denn außer den Stadtteil Hamm wollen die Stadtveränderer auch sich selbst in Schwung bringen.