In der Bucerius Law Clinic helfen sie Klienten, die sich keinen Anwalt leisten können – und lernen dabei für ihren künftigen Beruf

Familienstreitigkeiten sind emotional sehr belastend – umso schlimmer, wenn man auch noch in einer fremden Sprache vor Gericht um seine Kinder kämpfen muss. Ganz zu schweigen von finanziellen Fragen wie: Wer darf die Wohnung behalten? Wer bekommt welche Unterstützung ausbezahlt? Fragen, von denen zum Beispiel für eine trennungswillige Mutter aus Ghana – ohne Job, ohne familiäre Unterstützung und mit wackeliger Aufenthaltsgenehmigung – die Existenz abhängen kann.

Um Fälle wie diesen kümmern sich die Jurastudenten Maria Risse und Jonas Kraneburg von der Bucerius Law School in Hamburg. Im Oktober 2012 hat an der privaten Hochschule für Rechtswissenschaften in Kooperation mit der Diakonie Hamburg eine der ersten deutschen Law Clinics ihre Arbeit aufgenommen. 40Studenten beraten hier in Teams gemeinsam mit 18Fachanwälten ehrenamtlich Menschen, die sich keinen professionellen Rechtsbeistand leisten können. Über Beratungsstellen, zum Beispiel die Diakonie, das Frauenhaus oder die Schuldnerberatung, finden die Mandanten den Weg in die Sprechstunde, der Großteil von ihnen hat ausländische Wurzeln.

Die Idee der Law Clinics stammt aus den USA, wo Ende des 19.Jahrhunderts erste Hochschulen kostenlose Rechtsberatung für Bedürftige anboten. Heute unterhält praktisch jede amerikanische Law School gleich mehrere juristische Notfallambulanzen. Angesichts des lückenhaften US-Sozialsystems sind sie für viele Mittellose bei Rechtskonflikten die letzte Rettung.

Für das Engagement in der Law Clinic gibt es keinen Schein, und es wird auch nicht auf die Pflichtpraktika angerechnet. Dennoch ist der Andrang groß. Teilnehmen können Studenten ab dem zweiten Studienjahr. Bei der ersten Auswahlrunde im Oktober 2012 bewarben sich rund 80 der knapp 350 infrage kommenden Studenten im Bachelorstudium, 40 bekamen nach persönlichen Einzelgesprächen einen Platz. Das Ehrenamt vermittelt den Studenten Eindrücke vom wahren Leben, die sie weder im Hörsaal noch als Praktikant in der Rechtsabteilung eines Unternehmens oder in einer großen Kanzlei bekommen: „Als ich das erste Mal mit einer Mandantin früh morgens zum Sozialgericht gegangen bin und gesehen habe, was sich dort für Schlangen bilden, habe ich erst richtig begriffen, wie wichtig dieses Rechtsgebiet eigentlich ist“, sagt Jonas Kraneburg.

Ausländer- und Asylrecht, dazu etwas Arbeits-, Sozial- und Familienrecht bilden die Schwerpunkte der Beratungstätigkeit in der Bucerius Law Clinic. „Die Studenten kommen hier mit Themen in Berührung, die trotz ihrer praktischen Bedeutung im Studium eher Randgebiete sind“, sagt Erna Hepp. Die Hamburger Fachanwältin für Familienrecht erfuhr über die Anwaltskammer von der Law Clinic. Gemeinsam mit Maria Risse und Jonas Kraneburg hat sie gerade die Familiensache der Ghanaerin verhandelt.

Nur anhand echter Fälle könne man als Jurastudent Verhandlungstaktik richtig lernen, ist sie überzeugt: „Im Studium arbeitet man mit Papierfällen, die Fakten sind vorgeben“, sagt sie. Im wahren Leben lägen die wichtigen Infos aber nicht einfach auf dem Tisch: „Als Anwalt muss man seine Schlüsse oft aus Gestik, Mimik oder Nebenbemerkungen ziehen“, sagt Hepp. Auch dass sich oft ganz neue Aspekte ergeben, wenn die Gegenseite ihre Sichtweise vorträgt, ist ein Aha-Erlebnis, das kein Buch vermitteln kann.

Die Studenten motiviert auch, dass sie in der Law Clinic echten Menschen bei echten Problemen helfen können. Dafür nehmen sie auch immer wieder Spätschichten in Kauf: „Ich weiß ja, wie wichtig das für die Mandanten ist“, sagt Jonas Kraneburg.