Der Kulturhändler Zweitausendeins schließt Ende Juni seine Filiale an der Grindelallee

„Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ steht da auf feuerroten großen Zetteln gedruckt, die an den Schaufensterscheiben der Zweitausendeins-Filiale im Univiertel kleben. Im Mai 1977 öffnete der Versandbuchhändler seinen Laden an der Grindelallee, Ende Juni dieses Jahres macht er ihn endgültig dicht.

Nach der Filiale in Freiburg im Breisgau, die Ende Februar aufgegeben wurde, ist der Shop an der Grindelallee der zweite von bundesweit 14Zweitausendeins-Standorten, der schließen muss. Köln und Stuttgart sind ebenfalls auf Ende Juni terminiert, der zweite Hamburger Laden in den Colonnaden, den es seit 1998 gibt, darf noch bis Ende des Jahres weitermachen. Zweitausendeins – eine Legende stirbt langsam. Das nächste Opfer der Krise des Buch- und Medienmarktes.

Den vier Mitarbeitern ergeht es nicht viel anders. Heribert Distelrath leitet die Filiale, seit 1.November1992 ist er „Zweitausendeinser“, konnte also Ende vergangenen Jahres seine 20-jährige Betriebszugehörigkeit verbuchen. „Zweitausendeins hat ja Mitte vorigen Jahres einen Sozialplan vorgelegt, je nach Betriebszugehörigkeit werden mit den Mitarbeitern natürlich verschiedene Vereinbarungen getroffen“, erzählt Distelrath, der wie seine Kollegen ein „Quereinsteiger“ ist, wie er sagt. Haar und Bart sind kurz geschnitten, durchsetzt mit ersten grauen Strähnen. Jahrgang 1959, Sozialwissenschaft hat er studiert, die klassische Zweitausendeins-Klientel. „Damals ging es aus der Bibliothek regelmäßig noch in den Laden.“ Nach Billigangeboten suchen, nach Kulturschnäppchen, damit ist Zweitausendeins groß geworden.

Es wurde schon immer lieber geklotzt als gekleckert bei dem als Versandhändler gestarteten Unternehmen. 1969 von Lutz Reinecke und Walter Treumann in Frankfurt gegründet, vertrieb Zweitausendeins anfangs Restauflagen von Büchern und Schallplatten (seit 1971) zu drastisch reduzierten Preisen. Vor allem in studentischen Kreisen avancierte das Unternehmen zum beliebtesten Bücherdealer, keine WG in der 70ern ohne stapelweise Zweitausendeins-Titel, darunter auch die von Carl Weissner kongenial übersetzten Songs von Frank Zappa („Plastic People“, 1977) oder die in einem Band gesammelten 1827 Plattenkritiken der Zeitschrift „Sounds“ aus den Jahren 1966 bis 1977.

Kultstatus erlangte in jenen Jahren auch das kleinformatige „Merkheft“, das die aktuellen Angebote sowie Teile der Backlist des Versandhändlers bündelte (und es noch immer macht). Das Schlusswort („Liebe Leute“) in jedem Merkheft hatte eine gewisse Frau Susemihl inne, die nicht zu kennen schon fast ein Sakrileg war.

Seit Jahren steht es nicht mehr zum Allerbesten mit dem Frankfurter Versender. Mitgründer Reinecke, der nach seiner Heirat Kroth hieß, verkaufte die Kulturfirma 2006 an die Kinowelt-Gründer Michael und Rainer Kölmel, im selben Jahr war bereits die Logistikabteilung an die Bertelsmann-Tochter Arvato ausgegliedert worden. Mehrere Geschäftsführer verließen in den folgenden Jahren das Unternehmen, 2010 wurden in den 14Filialen 43 von 116Stellen abgebaut, das Kundencenter wurde aufgelöst. Die Jahresumsätze gingen von 39Millionen Euro 2005 auf 18Millionen Euro 2011 zurück.

Das Zauberwort in der aktuellen Krise sollte „Franchisenehmer“ heißen. Die Filialen sollten nicht mehr zentral aus Leipzig, seit 2011 Hauptsitz des Unternehmens, geführt werden, sondern, wie Sprecherin Stephanie Frommfeld sagte, „in eigene unternehmerische Hände“ gelegt werden. Sollte dies nicht gelingen, so hieß es, könnte „die Filiale nicht weitergeführt werden, nach dem heutigen Stand würde die letzte Filiale dann Ende 2016 geschlossen werden“.

Sollten in den Läden die Lichter ausgegangen sein, fällt auch das „Merkheft“ weg. Dunkle Zeiten für ein mit viel Idealismus ins Leben befördertes Modell, das auch Relikt der Studentenbewegung und des 68er-Aufbruchs ist.