Mathias Kraas ist Leiter der zentralen Entwicklung bei der Olympus-Medizintechniksparte. Eine seiner Erfindungen war bahnbrechend

Die Endoskope im Showroom der Olympus Surgical Technologies lagern in Vitrinen aus Panzerglas. Vor der Galerie der bis zu 25.000Euro teuren Geräte steht Mathias Kraas, 50. Er kennt die Geschichte jedes einzelnen dieser technischen Wunderwerke. „Für EndoEye hat Olympus im Jahr 2006 den ‚red dot design award‘ gewonnen“, sagt er und zeigt auf ein besonders stylishes Exemplar mit schwarzem Griff, an dem ein langes Metallrohr befestigt ist. Im Operationssaal nebenan lassen sich Ärzte die Funktion der Geräte zeigen, im angrenzenden „Hands on“-Bereich operieren sie an Kunststoffmodellen verschiedener Organe oder testen die Geräte in „Echtfleisch“ wie Schweinebauch.

Wenn Chef-Entwickler Mathias Kraas seine Besucher durch die Hallen in Tonndorf führt, erzählt er automatisch seine eigene Geschichte. Denn Kraas war es, der 1996 nach dreijähriger Entwicklungszeit mit seinem Team das erste starre Videoendoskop auf den Markt gebracht und damit die Medizintechnik revolutioniert hat. Das „Auge“ des Endoskops ermöglicht die sogenannte minimalinvasive Operationstechnik: Statt großer Schnitte genügt den Chirurgen eine kleine Öffnung. „Jedes von der Minikamera erfasste Detail erscheint auf einem Flachbildschirm, so können die Operateure jeden Eingriff – vom Entfernen eines Tumors bis zum Legen eines Herzkatheters – millimetergenau und präzise über den engen Kanal steuern“, sagt Kraas.

Kraas’ Verdienste um das Unternehmen lassen sich in Zahlen messen. Seit seinem Einstieg bei Olympus Surgical Technologies – der einstigen Olympus Winter & Ibe GmbH – im Jahr 1993 bis heute hat sich die Zahl der Mitarbeiter am Standort Hamburg von 350 auf 750 Arbeitnehmer mehr als verdoppelt. Entsprechend stieg der Umsatz überproportional an. 1997 wurde Kraas Leiter der Entwicklungsabteilung von Videoendoskopen, seit 2001 verantwortet er die zentrale Entwicklungsabteilung sowie die Entwicklung der diagnostischen Systeme. „Meine Aufgabe besteht darin, für jedes neue Projekt das richtige Team aus den verschiedenen zentralen Dienstleistungsbereichen zu formen und zu steuern“, sagt Kraas. So auch bei der Weiterentwicklung der ICG-Technologie, einem Infrarotmarker zum tieferen Blick ins Gewebe. Die Perfektionierung dieser Technologie sei eine der größten Herausforderungen für die Früherkennung von Krebs.

Dass er eine Karriere in der Wirtschaft machen würde, hat sich der Wissenschaftler nicht träumen lassen. Denn nach der Promotion am Desy wollte der damals 30-jährige Physiker forschen. Doch freie Stellen an Hochschulen gab es kaum. Um seine Familie abzusichern, bewarb sich der angehende Vater Ende 1992 auf eine Stellenanzeige der Olympus Winter & Ibe GmbH.

Dass er die Stelle bekam, verdankt er Hans-Joachim Winter, dem Sohn des Gründers. „Er wollte sich einen Physiker gönnen, um die verschiedenen Fachdisziplinen zusammenzuführen“, sagt Kraas. Winter habe ihn durch seine visionäre Persönlichkeit „schwer beeindruckt“. Denn der hatte bereits Anfang der 70er-Jahre Kontakt zur japanischen Firma Olympus für den Ausbau der Medizintechniksparte gesucht. „Olympus stellte die weltweit besten Linsensysteme her, wir hingegen waren stark in der Feinwerktechnik. Diese Synergien zu sehen und zu nutzen, war damals vor dem Hintergrund der Eiszeit zwischen beiden Ländern eine große Leistung.“

Sein Standing im japanischen Mutterhaus verdankt Kraas eigenem Bekunden nach seiner langen Betriebszugehörigkeit. „Japaner schätzen Treue und Kontinuität. Dadurch habe ich einen Vertrauensbonus“, sagt er. Mehrmals im Jahr fliegt er nach Japan.

Dennoch bleibt ihm Zeit für ehrenamtliches Engagement. Als erster Vorsitzender von Life Science Nord, einem Zusammenschluss der Medizintechnik- und Biotech-Unternehmen in Hamburg und Schleswig-Holstein, will Kraas Arbeitsplätze in der Region schaffen.