Zwei Hamburger fertigen individuelle Regale, Tische und Bilderrahmen und begehrte Designobjekte

Auch wenn Tee, Kakao oder Kaffee die alten Geschichten aus dem Hafen prägen, in Hamburg landen Schiffe aus aller Welt Jahr für Jahr auch Tausende Tonnen Holz an. Um Transportkosten beim Vertrieb an die Kunden zu sparen, schneiden Sägewerke hier die Kanten ab, zerhäckseln die für den Massengeschmack unansehnliche Baumrinde und weniger hartes Holz von den Rändern. Dieses Abfallholz wird verbrannt. Doch warum wegschmeißen, wenn das Holz noch für schöne Dinge verwendet werden kann, fragten sich Lasse Bagdahn und Per Völkel. Die beiden Tischler erfanden Produkte, die auch mit weniger massivem Holz auskommen und dadurch sogar noch schöner aussehen. Mit diesen innovativen Möbeln und Accessoires gründeten sie die Firma Hafenholz.

Längst über Hamburgs Grenzen hinaus bekannt geworden sind die beiden Tischler, die mit ihren Bärten und legerer Kleidung nach Kreativszene aussehen, mit ihren Holzrahmen. Bei diesen Rahmen für rund 40 Euro schmückt nicht nur die Maserung des Holzes, sondern auch noch die Baumrinde Bilder oder Fotos. Das Naturprodukt, das weitgehend naturbelassen bleibt, verwandelt jeden Rahmen in ein Unikat. „Es ist ein gutes Gefühl, schöne Dinge aus Materialien herzustellen, die sonst verbrannt worden wären“, sagt Lasse Bagdahn, 30, einer der „Retter“ des Abfallholzes. Den Gedanken, Dinge zu recyceln, finden Völkel und Bagdahn selbstverständlich, „das ist eine Frage der Generation“, sagt Per Völkel, 40.

Bagdahn und Völkel geht es immer wieder darum, den verborgenen Sinn weggeworfener Dinge zu entdecken und nutzbar zu machen. Für ihre Regale aus Bretterkisten nutzen sie alte Fahrradschläuche, verarbeiten diese zu Gummibändern und verbinden die Regalmodule mit diesen Gurten. Auch kleinteilige Restbestände der Holzhändler finden bei „Hafenholz“ noch eine Verwendung und damit ein neues Leben als Designprodukt: „Wir hatten hier lange altes Holz herumliegen, ohne zu wissen, was wir daraus bauen können“, sagt Bagdahn und zeigt auf die Materialbestände in der Tischlerhalle in Ottensen, wo die beiden die Möbel entwerfen und selber fertigen. Irgendwann kamen sie auf die Idee, aus den Resten Untersetzer zu sägen.

So ungewöhnlich die Produktideen der Gründer von Hafenholz sind, so besonders sind ihre Lebensgeschichten. Per Völkel merkte mitten in seinem Medizinstudium, dass er etwas mit den Händen machen wollte, „also kam höchstens Chirurgie infrage“, erinnert sich der Vater eines Sohnes, „aber das war mir dann doch etwas zu heftig“. Also startete er die Tischlerlaufbahn und hängte dann noch eine Ausbildung an der Fachschule für Holztechnik daran. Dort lernte er Lasse Bagdahn kennen. Der war ebenfalls Tischler, hatte zwischenzeitlich Möbel und Boote in Australien gebaut und jede freie Minute mit Wellenreiten verbracht.

Beide verband ein Traum: Sie wollten sich selbstständig machen. Wollten Möbel designen, statt nur Holz zuzuschneiden, aber auch nach wie vor selber etwas produzieren, anstatt sich nur mit Entwürfen am Computer zu beschäftigen. Aus diesem Traum ist Hafenholz entstanden. Zwar müssen sich die Gründer derzeit mit einem bescheidenen Gehalt zufriedengeben, der Umsatz aus dem Tischlergeschäft reicht gerade zum Leben. Schließlich ist es sehr zeitaufwendig, sich zugleich um Design und Produktion zu kümmern. Hauptabnehmer der Rahmen, aber auch weiterer Hafenholz-Produkte wie Regale und Tische sind derzeit die Hamburger Läden „Lokaldesign“ am Schulterblatt und „Sprösslinge“ am Eppendorfer Weg. In Zukunft aber wollen die Hafenholz-Chefs mehr über das Internet verkaufen und dann die Produktion stärker automatisieren. Stolz präsentiert Völkel eine computergestützte Zuschneidemaschine in einer Ecke der Produktionshalle, die sich die beiden Handwerker mit anderen Tischlern teilen. „Bisher brauche ich für eine Tischplatte eine Viertelstunde, bald nur noch einen Bruchteil davon“, sagt Völkel.

Die Gründer erleben zudem bei immer mehr Kunden, dass sie lieber in etwas teurere Einzelstücke investieren, als sich den Ikea-Einheitslook in die Wohnung zu stellen. Sie setzen darauf, dass die Nachfrage mit dem Trend zum individuellen Wohnen weiter steigt. Auf der anderen Seite dürften Bagdahn und Völkel als Abnehmer für Restholz im Hafen weiter gern gesehen sein. Auch hier findet ihre Idee „Lieber verwerten als verbrennen“ immer mehr Anhänger.

Bisher brauche ich für eine Tischplatte eine Viertelstunde, bald nur noch einen Bruchteil davon.