Mit ihren Notfallmamas springt die Eimsbüttlerin Angela Schmidt ein, wenn das Kind krank ist

Das kranke Kind in die Hände von fremden Menschen geben, um zur Arbeit gehen zu können? Viele Eltern haben sicherlich eine große Hemmschwelle, nicht bei ihrem kränkelnden Kind zu sein. Doch manchmal sind berufliche Termine sehr wichtig. Mit ihren „Notfallmamas“ hilft Angela Schmidt aus Eimsbüttel, wenn das Kind außerhalb von Tagesmutter und Kita betreut werden muss. Eine schnellere Notfallbetreuung gibt es wohl kaum: Innerhalb von zwei Stunden nach Anruf kommen die Notfallmütter in die Familien.

Natürlich ist es am schönsten, einfach die Großeltern anzurufen, die ihr krankes Enkelkind betreuen. Nur müssen die dann auch in der Nähe leben und Zeit haben. Die meisten berufstätigen Eltern bleiben also zu Hause, oder sie geben das kranke Kind in die Kita – in der Hoffnung, dass es gut geht.

Als Lorenz, 2, abends einen Magen-Darm-Virus bekam, war klar, dass er damit am nächsten Morgen nicht in die Kita gehen konnte. Ein Anruf bei Angela Schmidt genügte, und am Morgen stand die gelernte Kinderkrankenschwester Waltraud Hundeshagen, 57, vor dem Einfamilienhaus von Familie Heidrich in Rissen, um sich um den kranken Lorenz zu kümmern. Seine Eltern sind beide Psychiater. „Termine zu verschieben, ist immer sehr schwierig“, sagt Ingo Heidrich, „gerade bei Patienten in Krisensituationen.“ Er und seine Frau Verena hatten erst versucht, Freunde zu finden, die als Babysitter aushelfen könnten. Doch vergebens.

Ob sich jedes Kind auf einen Fremden einlässt, hänge wohl auch vom Kind ab. „Lorenz ist unkompliziert. Hätte er gelitten, weil er sich schlecht fühlt, hätte einer bei ihm bleiben müssen“, sagt Ingo Heidrich. Stattdessen hat „Notfallmama“ Waltraud Hundeshagen den ganzen Tag mit Lorenz gespielt. Als Lorenz ein zweites Mal krank war, hatte er sich schon auf Frau Hundeshagen gefreut, und sein großer Bruder Vincent wäre am liebsten auch zu Hause geblieben. „Die Kinder merken, da ist jemand, der hat ganz viel Zeit, und dann werden alle Spielsachen ausgepackt. Kleinere Kinder können sich manchmal schwer von der Mama trennen. Bin ich dann mit dem Kind allein, ist alles gut“, sagt Waltraud Hundeshagen.

Im Juni vergangenen Jahres hat Angela Schmidt, Mutter der dreijährigen Sara, die Notfallmamas gegründet. Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie das schlechte Gewissen an Eltern nagt, die nach der Elternzeit zurück in den Job kommen, sich engagiert zeigen wollen und sich immer wieder beim Arbeitgeber melden müssen, weil das Kind krank ist. „Meine Tochter hatte im ersten Jahr ständig Bronchitis. Gleich am Anfang fiel ich aus“, sagt sie. Damals hat sie als Sekretärin gearbeitet.

Alle ihre Notfallmamas sind beruflich entweder als (Kinder-) Krankenschwester, Sozial- oder Diplom-Pädagogen, Erzieher oder Arzthelfer qualifiziert und haben meist eigene Kinder. Das hört sich für berufstätige Eltern an wie ein Traum. Doch der hat seinen Preis: 25Euro pro Stunde kostet der Einsatz einer Notfallmutter. Zwei Drittel der Kosten, sagt Angela Schmidt, seien von der Einkommenssteuer absetzbar. 35Familien haben bislang den Service in Anspruch genommen.

Ehrenamtliche Mitarbeiter, erklärt Frau Schmidt, könnten nicht verlässlich innerhalb von zwei Stunden verfügbar sein. „Unser Service ist eine Dienstleistung, in der gerade Frauen arbeiten und die so für ihre spätere Rente sorgen.“ Vielleicht wird der Einsatz von Notfallmüttern für die Arbeitnehmer ja günstiger. Denn: „Immer mehr Unternehmen beteiligen sich an den Kosten“, sagt Frau Schmidt. So wie die Deutsche Bahn im Fall einer Mitarbeiterin aus Berlin, die kurzfristig zu einer Besprechung nach Hamburg fahren musste und ihr Baby von einer Notfallmama währenddessen betreuen ließ. Angela Schmidt hofft, dass sich langfristig alle Eltern ihre Dienstleistung leisten können, gerade auch Alleinerziehende, „mit der finanziellen Unterstützung von Stadt und Krankenkassen“.

Bedenken bleiben. „Ich finde das schwierig“, sagt Daniela Wilken, Mutter eines sechsjährigen Sohnes und Chefin der Agentur Wilkenwerk. „Kranke Kinder brauchen ihre Bezugspersonen.“ Wenn einer ihrer 28Mitarbeiter sich um sein krankes Kind kümmern muss, sei das kein Problem. „Dann bleibt man zu Hause oder wenn es möglich ist, geht auch Homeoffice“, sagt sie.

„Eine Lösung wie die Notfallmamas kann ein Baustein sein, an dessen Kosten wir uns beteiligen würden“, sagt Michaela Kruse von der Agentur MIKS mit 20Mitarbeitern. Allerdings: „Kleinere Kinder kommen oft nur schwer damit zurecht, aber bei größeren kann das eine Lösung sein.“ Das Grundprinzip laute: „Erst die Gesundheit, dann der Job.“

Der Einkaufscenterbetreiber ECE bietet zwei Angebote: Bei leichteren Erkrankungen kann das Kind mitgebracht werden: in ein Eltern-Kind-Büro. Daneben gibt es für die Mitarbeiter kostenlos den pme Familienservice, der eine Notfallbetreuung vermittelt. Die ECE unterstützt ihre Mitarbeiter mit einem monatlichen Kinderbetreuungszuschuss von bis zu 200 Euro.

Kleinere Kinder können sich manchmal schwer von der Mama trennen. Bin ich mit dem Kind allein, ist alles gut.