Bäcker Wolfgang Hamdorf fordert die Unabhängigkeit der ehemals selbstständigen Stadt Altona

Wer glaubt, dass Altona nur ein Stadtteil der Hansestadt Hamburg ist, hat die Liebermannstraße in Othmarschen noch nicht passiert. Denn hier weht sie hoch im Frühlingswind: die Flagge des freien Altona. Unabhängig, stolz, etwas anders. Gehisst wird das gute Stück, je nach Lust und Laune, von Bäcker Wolfgang Hamdorf. „Ich bin Altonaer“, pflegt er zu sagen, „und kein Hamburger. Darauf bin ich stolz.“ Allerdings – dies sei, um Missverständnisse zu vermeiden, erwähnt – meint er das mit einem Augenzwinkern.

Die Stammgäste der kleinen Bäckerei kennen die Marotte des 80-jährigen Spaßvogels. Wenn ihm danach ist, hisst er vor seinem kleinen Ladengeschäft das jeweils Passende: mal die Flagge Altonas, die des Fußballvereins Altona93, an Spieltagen die des FCSt.Pauli und, mit intensivem Augenzudrücken, die des HSV.

Mehr als 40 unterschiedliche Flaggen hat Herr Hamdorf auf Lager. Die Altonaer war vor gut 20Jahren die erste, für fast 200Mark bei Fahnenfleck am Großen Burstah erstanden. Fast alle anderen stammen vom Kumpel und Altona-93-Weggefährten Uwe Badekow, der auf dem Fischmarkt einen Stand unterhält. Bei ein paar Bierchen entstand seinerzeit die Idee mit dem Flaggenmast. Bis heute sorgt dieser für erstaunte Blicke und reichlich Gesprächsstoff.

Der gebürtige Altonaer Wolfgang Hamdorf kann seine Kundschaft mit Fakten von früher beglücken. Um 1535 wurde Altona als Fischersiedlung in der Grafschaft Pinneberg in Holstein gegründet. Der Legende nach betrieb dort ein Fischer namens Joachim von Lohe eine florierende Rotbierkneipe, die nicht nur Berufskollegen von der Elbe, sondern auch Handwerker anzog. Nach Auffassung des Hamburger Rates spielte sich dieses süffige Leben „all to nah“ an der Stadtgrenze ab. 1591 brach sogar ein Grenzkrieg aus, der schließlich vor dem Reichskammergericht ausgetragen wurde und erst 1740 durch einen Vergleich endete.

Lange Zeit gehörte die Stadt dann zum dänischen Königreich, bevor sie 1867 preußisch und 1937 Hamburg einverleibt wurde. An der Liebermannstraße in Othmarschen sorgt all das nach wie vor für Gesprächsstoff. In den Neubau mit der Hausnummer46 zog Wolfgang Hamdorf 1956 ein. Bis 1992 bot er Milch, Butter, Käse, Quark und Getränke an. Anschließend wurde daraus fünf Meter weiter die Bäckerei Hamdorf. Mit Ehefrau Wiebke und Tochter Wenke betreibt Hamdorf das beliebte Geschäft. Nur in einem Punkt zeigt er Argumentationsschwäche. Vor einiger Zeit sind Wiebke und Wolfgang Hamdorf von der Liebermannstraße an den Boothsweg nach Hochkamp gezogen. Weiter weg vom Stadtkern Altona? Nicht wenige seiner Kumpels werten das als Fahnenflucht.