Horst Lange sammelt Briefe und Maritimes – und alles über Schiffe mit dem Namen Hamburg

Überraschungen gibt es immer wieder, richtig handfeste jedoch selten. So wie diese im Keller eines unauffälligen Reihenhauses in Tonndorf. Zwei Treppen geht’s runter, dann öffnet Herr Lange schelmisch lächelnd die Tür zu seinem Hobbyraum, einer maritimen Welt einmaliger Art. Tausende Utensilien aus dem Reich der Marine und der zivilen Seefahrt ergeben ein proppevolles, liebevoll dekoriertes Museum, ein „U-Boot“ im Nordosten Hamburgs.

„Bitte schön“, sagt Horst Arthur Lange, Stabsfeldwebel a.D. Alarmglocken, Funkgeräte, Tauchretter, Ruder, Bootsmodelle und jede Menge Wimpel und Schiffswappen zieren die gute Stube unter der Erdoberfläche. Kapitänsmützen sind zu sehen, eine Deckslampe, Ferngläser, Megafone, der Stander des Bundespräsidenten – und ein Kugelfisch. Mit viel Leidenschaft zusammengetragen seit der „Infektion“ mit dem Thema 1975 und besonders intensiv seit dem Ruhestand im März 1989. „Besser unter Deck im Keller als in der Kneipe“, pflegt seine Ehefrau die Marotte ihres Mannes zu kommentieren.

Die vielleicht größten Raritäten lagern in zwei großen Stahlschränken: mehr als 200Ordner mit mehr als 20.000Schiffspostbriefen. Alle gingen um die Welt; die Briefmarken sind teilweise mit offiziellen Schiffspoststempeln entwertet und/oder haben zusätzliche Bord- oder Reisestempel. Das Herzstück dieser einmaligen, preisgekrönten Sammlung: Post und Stempel von Bord aller möglichen Schiffe, die den Namen Hamburg am Bug tragen oder einstmals trugen.

Doch bevor der humorvolle 77-Jährige, der die Bezeichnung „verrückt“ als Kompliment versteht, seiner Sammlung zu Leibe rückt und einzelne Schätze präsentiert, führt er durch seine maritime Wunderwelt. Eine Hamburg-Ecke gibt es, vom Fußboden bis zur Decke vollgepackt wie alles hier; ein Bereich mit Erinnerungsstücken ist ausschließlich dem Zerstörer Rommel gewidmet, der von 1967 bis 1999 im Dienst der Deutschen Marine stand. Im Hobbyraum ist eine schwere, originale Eisentür installiert, die an Bord einst eine Dreimann-Kammer für Unteroffiziere sicherte. Stundenlang möchte man zuhören. Zumal hier kein Militarist spricht, das wird rasch klar, sondern ein Fan der Seefahrt, der seine Heimatstadt Hamburg im Herzen trägt.

Und woher stammen alle diese kleinen Schätze, Herr Stabsfeldwebel? Der Jäger und Sammler ist wahrlich nicht auf den Mund gefallen, aber jetzt wird er doch ein wenig wortkarg. Um es kurz zu machen: Die Sachen kommen von hier und da und nirgendwo, vom Flohmarkt, gekauft, getauscht, meistens aber organisiert „auf dem inoffiziellen Dienstweg“ über alle möglichen Kanäle. Geheimstufe II, könnte man sagen. Die Profis lernen sich im Laufe der Zeit kennen, und viele in der Marine und der Seeschifffahrt unterstützen Lange und seine Begeisterung.

Zurück in den Keller: In der Ecke steht eine kleine Tischglocke. Sie stammt vom legendären „Glocken-Essen“ auf dem Dampfer „Hamburg“. Die Speisekarte des Abschiedsmahls vom 31.Juli1935 ist bestens erhalten. Demnach ließen es sich die Passagiere auch in rauen Zeiten gut gehen. Das Menü an Bord des Ozeanriesen bestand aus Kaviar, Fasanensuppe, Seezungenfilets, Lammrippchen und Truthahn.

Horst Lange weiß weitere Details. Der Mann hat einen Ruf als maritimes Lexikon auf zwei Beinen. Denn das Jagen und Sammeln reizt ihn auch deshalb so sehr, weil es ihm umfangreiches Wissen über die Welt der Seefahrt beschert. Überall stehen und liegen Hefte, Ordner und Fachbücher. Eines stammt vom Freiherrn von Stackelberg. Um den langjährigen Kommandanten der „Gorch Fock“ ranken sich wundersame Legenden. Ein bisschen Seemannsgarn, aber nicht nur. Im Buch liegt ein alter Zehn-Mark-Schein – mit Autogramm des Fahrensmanns. Auf der Banknote prangt in voller Pracht, für die Älteren unvergessen, die „Gorch Fock“.

Regelmäßig kommt Besuch in die beiden Kellerräume nach Tonndorf: Kaum eine Woche vergeht, in der nicht maritime Freaks oder Gesinnungsgenossen bei Lange unter Deck gehen. Ein Schiffstagebuch fungiert als Gästebuch. Auch Brigadegeneral von Falkenhayn war schon vor Ort – und traute seinen Augen nicht. Woher stammen bloß die seltenen Schiffsmodelle, Fotoalben des Kreuzers „Hamburg“ von 1926 und 1927, ein ausgedientes Sprechgerät vom Zerstörer „Bayern“, uralte Morsetasten, die Alarmglocke der Marineschule?

Andächtig greift Lange nach einem mehr als 110Jahre alten Brief, an Bord des 1899 erbauten Reichspostdampfers „Hamburg“ am 27.Juli1902 abgestempelt, in Neapel aufgegeben und an einen Hauptmann Wiesbach adressiert. Weitere mit Briefmarken und Stempeln ausgestattete Poststücke dokumentieren die wechselhafte Geschichte dieses Schiffs. In den Sommermonaten wurde es von der Hapag verchartert. So konnte der Deutsche Kaiser auf der „Hamburg“ standesgemäß Urlaub auf Hoher See machen. Während des Ersten Weltkriegs wurde der Dampfer in den USA beschlagnahmt.

Wie viele Schiffe mit Hamburger Namen gibt es weltweit? Aktuell etwa 15 bis 20, schätzt er. Im Laufe der Zeit sind fast 100 bekannt. So trug ein Versorger der Kaiserlichen Marine den schönen Namen „City of Hamburg“. Freudig präsentiert der Sammler weitere Bordstempel: „Hamburg Max“ (Griechenland), „M/N Grande Amburgo“ (Palermo), „Frio Hamburg“ (Limassol), „Hamburg Bridge“ (Panama), „Ville de Hambourg“ oder „Anny von Hamburg“.

Geheimstufe II.