Traditionsreicher Herrenausstatter Policke in St. Georg wächst auch ohne Online-Handel

Der Käufer wird gleich schon im Eingang abgefangen – mit musterndem Blick. Größe50 bleibt im Erdgeschoss, für 56 geht es höher hinauf. Auf vier Etagen verteilen sich Anzüge, Hosen, Sakkos und Mäntel, 80Größen für große und kleine Männer, dünne und dicke. Seit 1931 gibt es den Herrenausstatter Policke in Hamburg – und er wächst. „Ich glaube schon, dass es immer einen Kundenkreis geben wird, der gern in die Geschäfte geht und sich beraten lässt“, sagt der heutige Inhaber Claus Burchard. Ein Online-Shop rechne sich für ihn nicht – auch wegen seiner ohnehin schon günstigen Ware.

Mit seiner Einschätzung steht er trotz boomenden Internethandels nicht allein da. „Es gibt für stationäre Händler keinen Anlass, vor der Online-Konkurrenz zu resignieren“, hieß es jüngst in einer gemeinsamen Studie der Unternehmensberatung Roland Berger mit ECE, einem führenden Betreiber von Einkaufszentren. Für fast zwei Drittel der Kunden bleibe das herkömmliche Geschäft die wichtigste Einkaufsquelle. Auch um den Nachwuchs muss dem Handel offenbar nicht bange sein: Junge Menschen, die viel im Internet unterwegs sind, kaufen laut Studie gern stationär ein: weil sie das Einkaufserlebnis, möglichst mit Freunden oder Familie, nicht missen möchten.

Erlebnisreich kann ein Sonnabend bei Policke sein, dem stärksten Umsatztag der Woche. „Verehrte Kunden, an Wochenenden kann es durch die hohe Nachfrage zu längeren Wartezeiten kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis“ – ein solches Schild dürfte in der Shopping-Metropole Hamburg anderswo kaum zu finden sein. „Wenn man den ersten Sonnabend überlebt hat, überlebt man hier alles“, erinnert sich Verkäufer Frank Limmer an seinen Einstand. Die Hochzeitsanzüge seien der anstrengendste Bereich. Auf engstem Raum drängelten sich im dritten Stock mehrere Verkäufer nebst Kunden und Begleitung. Deutschlandweit sieht sich der Ausstatter in diesem Segment mit seiner Auswahl an der Spitze. Auch Konfirmationsanzüge kamen ins Programm, rund 1000junge Männer greifen laut Burchard jährlich zu.

Ohne Beratung geht bei Policke gar nichts. Eng gepresst hängen Sakkos dreilagig übereinander und hängen sogar von der Decke herab. Da braucht's schon eine Leiter, eine Greifstange und einen markigen Spruch des Verkäufers – „Ran an den Stoff“ –, damit das Tuch zum Träger findet. In großflächigen Warenhäusern halten Kunden oft vergeblich Ausschau nach Ansprache. Auf den 90Quadratmetern je Etage im Haupthaus bei Policke hingegen sind die Verkäufer nicht zu übersehen. „Hier kann man zwei, drei Kunden auf engem Raum gleichzeitig bedienen und hat sie alle im Blick“, schwärmt der Firmenchef. Mehr als 40Verkäufer sind bei Policke angestellt, zusammen mit Schneidern und Verwaltungskräften sollen es in diesem Jahr mehr als 60 werden.

Die Firma ist im Umbau. Schuhe, Hemden, Pullover, Krawatten und Unterwäsche gibt es bereits in zwei benachbarten Häusern vis-á-vis. Eine jüngere Klientel will der Firmenchef auf einer frei gewordenen Fläche wohl vom Sommer an mit der Kollektion einer Start-up-Firma anlocken, die ihre Ware bisher im trendigen Schanzenviertel verkauft. Auch im altgedienten Haupthaus wird renoviert und umgezogen, damit die rund 1000Artikel im Sortiment gut präsentiert werden können.

„Gute Verkäufer, gute Qualität im Beratungsgespräch, gute Preise und viel Ware auf wenig Platz“, beschreibt Burchard, der selbst im Hamburger Einzelhandel Karriere gemacht hat, seine Strategie. Im Angebot ist, was auch bei anderen Modefilialisten zu haben sei, „aber rund 30 Prozent günstiger“, sagt der Manager. Ein roter Rabatt wird auf den Etiketten zwar nicht ausgewiesen, und saisonale Schlussverkäufe gibt es erst gar nicht. Aber die Kunden, gibt sich Burchard sicher, wissen seine Preise (ein-) zu schätzen.

Durch eine niedrige Miete, geringe Energiekosten – keine Rolltreppe, kein Fahrstuhl, keine Klimaanlage – sowie kaum Werbung behält der Firmenchef nach eigenem Bekunden die Kosten im Griff. Kundenkartei oder Bonuskarte – Fehlanzeige: „Das ist nicht so effektiv, wie Unternehmen sich das wünschen“, sagt der Einzelhandelsfachmann. Der eingesessene Betrieb des Gründers Gotthard Policke und Mundpropaganda führen Kunden seit Generationen in die Böckmannstraße1a.

Stammkunden halten Policke die Treue, sie schreckt selbst der Fitnesstest bis in die oberen Etagen nicht ab: „So, ich brauch 'ne neue Hose“, schnauft ein älterer Herr schon auf der Treppe. Frauen kommen hier allenfalls als Begleitung, auch Damenmode wird es bei Policke nicht geben.

Wenn man den ersten Sonnabend überlebt hat, überlebt man hier alles.