Schlagfertigkeit hilft gegen verbale Attacken. Am besten ist aber, Kollegen gelangen schnell wieder auf eine Sachebene

Die Kollegin arbeitet halbtags. Spätestens um 15 Uhr muss sie am Kindergarten sein, um den Nachwuchs abzuholen. „Schönen Feierabend“, sagt der Vollzeit-Kollege – mit Unterton. Und die Mitarbeiterin mit Kind? Ärgert sich leise oder stänkert irgendwann zurück.

„Solche Bemerkungen fallen im Job nicht selten“, sagt Diplom-Psychologe und Coach Jan-Fredo Willms. Auch wer früh zur Arbeit kommt und dafür eher geht, bekomme so etwas zu hören. „Ich würde einfach ,Danke‘ sagen“, ist Willms‘ Empfehlung. „Am besten mit einem Lächeln, um der Antwort jede Schärfe zu nehmen.“ Leichter gesagt als getan, denn solche Bemerkungen kränken denjenigen, auf den sie zielen.

Willms rät in solchen Fällen dazu, an der inneren Haltung zu arbeiten: „Es geht darum, sich selbst gut kennenzulernen“, sagt er. „Denn wenn ich weiß, wo die roten Knöpfe sind, bei denen ich mich getroffen fühle, funktionieren sie gleich schon nicht mehr so gut.“

„Nehmen Sie es nicht persönlich“, rät Kommunikationstrainerin Britta Wenske. Anstatt ein Stänkern als Angriff auf die eigene Person zu sehen, empfiehlt sie eine Änderung des Blickwinkels: „Werden Sie neugierig und fragen sich: ,Interessant, dass diese Person so reagiert. Was mag wohl in ihm oder ihr vorgehen?‘“ Die meisten der vermeintlichen Angriffe hätten weniger mit demjenigen zu tun, auf den sie gerichtet sind, als mit demjenigen, der sie sagt. „Das bedeutet aber nicht, dass Sie nicht doch reflektieren sollten. Vielleicht ist ja etwas an dem dran, was der Kollege eher ungeschickt über Sie sagt.“

Um wieder auf die Sachebene zu gelangen, rät Psychologe Willms, verhohlener Kritik mit gezielten Fragen zu begegnen: „Wo genau glauben Sie, dass meine Zusammenfassung Quatsch war?“, zum Beispiel. „Ich bin nur dann angegriffen, wenn ich mich angegriffen fühle“, sagt er.

In anderen Fällen hilft Schlagfertigkeit. Das müssen die Betroffenen von Fall zu Fall entscheiden: „Wenn du mit Feierabend meinen zweiten Job zu Hause meinst, dann vielen Dank!“, könnte besagte Halbtagsmutter dem neidischen Kollegen entgegnen. „Umdefinieren“, nennt Psychologe Willms diese Technik.

Rhetorik-Trainer Sven Sander regt an, sich ein paar Standardreaktionen zurechtzulegen, denn „Verbalattacken kommen zu 80 bis 90 Prozent aus ein und derselben Richtung“. Schlagfertigkeit ist für ihn eine „charmante Art des Selbstbewusstseins“. Nicht der Überheblichkeit: „Es geht darum, eigene Potenziale und Schwächen zu kennen.“ Derart gewappnet, stellt sich vielleicht die „Witzfertigkeit“ ein, wie Sander es nennt. „Das ist die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen“, erklärt er. Als „übertriebene Zustimmung“ bezeichnet Sander die dazugehörige Schlagfertigkeitstechnik. Auf die Bemerkung „Siehst du aber fertig aus!“ könnte die Antwort dann „Da hättest du mich mal gestern sehen sollen“ lauten. „Dafür muss man aber mit sich selbst im Reinen sein.“