Väter und Mütter parken das Auto auf der Straße – damit soll jetzt Schluss sein in Niendorf

Wenn es um 7.45 Uhr losgeht mit dem Verkehrswirrwarr vor den Schulen am Sachsenweg in Niendorf, dann fahren Schüler zu dritt nebeneinander auf ihren Fahrrädern und ignorieren dabei die Rechts-vor-links-Regelung, dann schlängeln sich Eltern mit ihren Autos durch den schmalen Sachsenweg, um ihre Kinder direkt vor dem Schuleingang abzuliefern. Und mittendrin versuchen Grundschüler, sich zurechtzufinden und heil in ihre Schule zu kommen. Viele Eltern wollen ihr Kind vor Unfällen schützen und bringen es mit dem Auto zur Schule – und werden so selbst zur Unfallquelle. An der Grundschule Sachsenweg haben sich Eltern als Verkehrslotsen zusammengetan. Ihr Ziel ist es, die gegenseitige Rücksichtnahme zu stärken und andere Eltern zu sensibilisieren, ihre Kinder nicht bis vor das Schultor zu fahren.

„Es sind die Eltern, die ihre eigenen Kinder gefährden, wenn sie diese auf der Straße einfach aussteigen lassen“, sagt Christian Martens, Elternratsvorsitzender an der Grundschule Sachsenweg und Organisator der Elternlotsen. Seine Söhne Julian, 9, und Carsten, 7, sollen weiterhin sicher zu Fuß zur Schule kommen, genau wie die anderen Schüler. Seit Ende Januar soll das Elternlotsenprojekt dabei helfen.

„Es gibt Eltern, die ihre Kinder schon lange vor Schulbeginn um 8Uhr zur Schule schicken, nur damit diese nicht in das Gewimmel geraten“, sagt Nicole Franz, die auch als Elternlotsin an diesem Morgen an der Kreuzung ihren Dienst macht. Sie habe schon beobachtet, wie ein Autofahrer sich durch den Sachsenweg drängelt und dabei über den Bordstein gefahren ist, auf dem die Kinder gehen. Auch die älteren Schüler des benachbarten Gymnasiums Ohmoor führen häufig rücksichtslos mit ihren Rädern über den Bürgersteig.

Bis zu sieben Väter und Mütter stehen an zwei bis drei Tagen morgens in ihren orangefarbenen Warnwesten vor der Schule und an der Kreuzung Sachsenweg/Emmy-Beckmann-Weg/Chaukenweg. Sie wollen dafür sorgen, dass die jugendlichen Radfahrer nicht auf dem Fußweg fahren, dass Eltern möglichst am Emmy-Beckmann- oder am Chaukenweg parken und ihre Kinder den restlichen Weg zu Fuß gehen.

„Unsere Aufgabe ist es, allein durch unsere Präsenz dafür zu sorgen, dass man entspannter miteinander umgeht“, so Christian Martens. Die Lotsen sprechen die Auto fahrenden Eltern an: „Die meisten sind überrascht, weil sie die Problematik bislang gar nicht gesehen haben“, sagt Elternlotsin Franz.

Nicht nur an der Grundschule Sachsenweg nehmen Eltern die Verkehrssicherheit selbst in die Hand: Etwa 200 Elternlotsen sind hamburgweit an zehn weiteren Grundschulen bereits im Einsatz, und es kommen weitere hinzu, zum Beispiel an der Schule Fahrenkrön in Bramfeld. Der Einsatz der Lotsen am Sachsenweg ist Teil eines Mobilitäts- und Verkehrserziehungskonzepts. Dazu gehört, dass Kinder möglichst zu Fuß zur Schule kommen, statt von den Eltern chauffiert zu werden. „Es ist wichtig, dass Kinder selbstständig zur Schule gehen. Das gehört zum Großwerden dazu und ist wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder“, sagt Gunter Bleyer, 20 Jahre lang Referent für Mobilitäts- und Verkehrserziehung in der Bildungsbehörde. „Die Kinder können sich auf dem Schulweg mit Freunden ausquatschen und kommen ausgeglichener in der Schule an“, so Bleyer. Lehrer hätten beobachtet, dass Kinder, die zu Fuß kommen, bei Unterrichtsbeginn konzentrierter seien als ihre Klassenkameraden, die mit dem Auto gebracht werden und in der Schule erst einmal plaudern müssten.

Neben dem ökologischen Aspekt fördere das Zu-Fuß-Gehen auch das räumliche Vorstellungsvermögen. „Wenn Kinder allein im Stadtteil unterwegs sind, lernen sie auch, sich besser zu orientieren. Das kann das Verständnis in Mathematik und Geometrie verstärken“, so Bleyer. Er beobachtet, dass Eltern immer besorgter werden. „Viele haben Angst, ihre Kinder einfach loszulassen.“ Doch, wo mehr Autos vor die Schule fahren, erhöht sich das Risiko. Beispiel: An der Schule an der Isebek in Eimsbüttel wurde ein Schüler verletzt, als seine Mutter ihn aus ihrem Auto aussteigen ließ. Der Siebenjährige wurde von einem heranfahrenden Auto erfasst. Am Sachsenweg hat der Einsatz der Elternlotsen die Verkehrssituation schon verbessert. Franz: „Die Autofahrer fahren defensiver und langsamer, viele parken ihr Auto weiter entfernt.“

Es sind die Eltern, die ihre eigenen Kinder gefährden, wenn sie diese auf der Straße einfach aussteigen lassen.