Roland Berger Stiftung unterstützt Jugendliche aus bildungsfernen Familien

Sila Bektas ist neun Jahre alt und weiß schon ganz genau, welchen Beruf sie später einmal lernen möchte. "Ich möchte Lehrerin werden, weil ich gerne Kindern etwas beibringen will", sagt die Grundschülerin aus Mümmelmannsberg.

Rein statistisch betrachtet stehen die Chancen schlecht, dass Sila diesen Weg tatsächlich einschlagen wird. Die Eltern der Neunjährigen stammen aus der Türkei, beide haben nur einfache Berufe gelernt, nicht studiert. Sila hat drei Geschwister, ihr Vater ist Frührentner, für viele Dinge fehlt das Geld. Jeder vierte Abiturient in Hamburg stammt wie Sila aus einem sogenannten bildungsfernen Elternhaus. Zwar sind das mehr als doppelt so viele Abiturienten wie noch im Jahr 2005, aber die Chancen für Kinder aus sozial schwachen Familien sind auch in Hamburg noch immer schlechter als für Kinder, deren Eltern gut situiert und zudem gebildet sind.

Doch Sila hat zwei Pluspunkte auf ihrer Seite: Sie hat Eltern, die sich sehr für ihr Kind engagieren und sich für ihre Tochter mehr wünschen - vor allem eine gute Ausbildung und die Möglichkeit, jeden Beruf zu ergreifen. Außerdem ist Sila eine Schülerstipendiatin der Roland Berger Stiftung. Die Stiftung unterstützt besonders begabte Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Familien. Anders als etwa bei Programmen für Studierende werden die Schülerinnen und Schüler nicht direkt finanziell unterstützt. Jeder der Sechs- bis Achtzehnjährigen erhält aber einen individuellen Plan, der zehn Lernbereiche - von Persönlichkeitsentwicklung und Werteorientierung bis hin zu Gesundheit und Sport - umfasst und die Kinder gezielt fördert.

Wichtiger Bestandteil des Stipendiums sind zudem ehrenamtliche Mentoren, die für die Stipendiaten zu Vertrauenspersonen werden sollen und sie auf ihrem Weg zum Schulabschluss begleiten. Sie sollen den Kindern und Jugendlichen aber auch Horizonte eröffnen, für die deren Eltern, die Zeit, das Geld oder die eigene Erfahrung fehlen.

Anne Schneider ist Silas Mentorin. Bereits vor zwei Jahren stieß die 49-Jährige auf einen Artikel über das Stipendienprogramm und las, dass die Stiftung ehrenamtliche Mentoren sucht. Sie meldete sich bei der Koordinatorin, damals allerdings gab es das Programm in Norddeutschland noch nicht. Als sich die Stiftung im Herbst vergangenen Jahres bei Anne Schneider meldete, hatte sie das Mentorenprogramm schon fast vergessen, war aber sofort bereit, die Betreuung eines der Stipendiaten zu übernehmen. "Ich habe genug Zeit und viel Lust, mich zu engagieren."

Zweimal haben sich Anne Schneider und die kleine Sila schon getroffen. Wer die beiden zusammen sieht, hat ein gutes Gefühl, dass zwischen ihnen die Chemie stimmt. Die Stiftung achtet bei der Zusammenstellung der Teams darauf, dass sich die Interessen und Begabungen der Kinder und Jugendlichen, mit denen der Mentoren decken. Wenn es trotzdem nicht passt, haben beide Seiten die Möglichkeit, die Zusammenarbeit zu beenden.

In der nächsten Zeit wird es für die Mentoren und ihre Mentees erst einmal ums Kennenlernen gehen. Anne Schneider hat schon Ideen, was sie danach mit der Neunjährigen machen will: "Ich freue mich darauf, Sila ein bisschen die kulturelle Vielfalt in Hamburg zu zeigen und ich denke, dass es auch andersherum sein wird und sie mir etwas von ihrer Welt näher bringt".

Mit den eigenen Kindern - zwei Söhnen, die inzwischen im Teenageralter sind - hat Anne Schneider immer viel unternommen. Mal war es eine Reise, mal ein Konzert, manchmal aber auch einfach der Besuch in der Bücherei, um den Jungs zu zeigen, wie sie künftig mit ihrem Bibliotheksausweis alleine Bücher ausleihen können.

Wenn sie heute ihre Söhne sehe und merke, wie selbstständig sie seien und wie selbstverständlich sie manche Angebote annähmen, dann wisse sie, dass sich das Engagement gelohnt habe, sagt Anne Schneider. "Ich glaube nicht, dass ein Kind unbedingt immer allein den Weg in Theater, Konzerte und Museen findet, sondern jemanden braucht, der ihm diese Angebote näher bringt."

Und dieser jemand will sie gerne für Sila sein.