Neue Wohnungen lautet das Ziel, das Zauberwort heißt Nachverdichtung. Alteingesessene Volksdorfer lernen gerade, dass ein Einzelhaus auch aus drei Gebäuden bestehen kann. Ein Ausflug in die Untiefen von Bebauungsplänen

Eigentlich sollten die Bebauungspläne Volksdorf 40, 42 und 43 als "Strukturerhaltungspläne" die Einzelhausbebauung im Stadtteil retten. Es sollten keine Bauträger mehr kommen können, die die gewachsenen großen Grundstücke der Alteingesessenen kaufen und mit Eigentumswohnanlagen oder Doppelhäusern zupflastern. So jedenfalls ist es in der Bevölkerung angekommen. Jetzt sind die Bebauungspläne längst Gesetz, doch die Goldgräberstimmung unter den Bauträgern ist geblieben. Und die Volksdorfer verstehen nicht, wie das möglich ist.

An den schmalen Straßen weisen kleine, eingepflockte Holzschilder den Lastwagen dezent den Weg zu den Baugruben der Bauunternehmen wie Viebrock, Mollwitz Massivbau oder Kage. Das Geschäft brummt. Die Grundstückspreise stiegen in den vergangenen zwei Jahren von um die 400 auf bis über 600 Euro pro Quadratmeter in Volksdorf, in Wellingsbüttel werden auch schon mal 700 Euro bezahlt. "2010 dachten wir, es wird nicht mehr teurer. Ein Irrtum. Es ist fast schon irrational", sagt Deniz Karadey von der Firma Dirk Kage. Philipp Schröder von Mollwitz Massivbau: "Die Nachfrage ist unfassbar groß."

"Hier klingeln schon die Baufirmen bei den alten Leuten und fragen, ob sie nicht verkaufen wollen", sagt Marita Merkle. Sie wohnt beim Volksdorfer Wald im Maetzelweg, in der Nachbarschaft gibt es viele große Grundstücke mit nur einem älteren Haus darauf. "Am Maetzelweg 4 stand auf dem großen, üppig bewachsenen Grundstück ein Einzelhaus", sagt Marita Merkle. "Jetzt sollen dort drei Häuser mit fünf Wohneinheiten gebaut werden."

Ein Maklerbüro bot zwei Doppelhäuser und ein Einzelhaus mit Kaufpreisen ab 552.400 Euro auf Grundstücksanteilen ab 370 Quadratmetern an. Laut Bauunternehmer Kage ist alles verkauft. Und laut Baurecht in bester Ordnung. Auch, wenn der Bebauungsplan Volksdorf 40 für die fragliche Ecke Einzelhäuser mit maximal zwei Vollgeschossen auf einer Grundfläche von höchstens 200 Quadratmetern ausweist. Nachbarin Merkle fehlt da jegliches Verständnis: "Doppelhäuser sind, wenigstens für mich, eindeutig keine Einzelhäuser."

Im Baurecht ist das anders. Für Baurechtler sind die beiden noch nicht genehmigten Doppelhäuser eben doch Einzelhäuser. Die Loseblattsammlung "Hinweise für die Ausarbeitung von Bebauungsplänen" der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) definiert im Abschnitt 6.2 ausdrücklich: "Ein Einzelhaus ist ein allseitig frei stehender Baukörper mit Abstand zu den seitlichen und rückwärtigen Grundstücksgrenzen und einer maximalen Länge von 50 Metern. Die Anzahl der Hauseingänge, Geschosse oder Wohnungen ist unerheblich. (...) Ein Einzelhaus kann aus mehreren Gebäuden bestehen, solange der erforderliche Grenzabstand eingehalten ist. Mehrere aneinander gebaute Wohngebäude mit getrennten Eingängen (umgangssprachlich als Doppelhaushälften- oder Reihenhausscheiben bezeichnet) bilden insgesamt ein Einzelhaus, wenn sie auf einem gemeinsamen Grundstück stehen." Der Zweck dieser Definition wird nicht erklärt. Nur festgehalten, dass man "somit von der baufachlichen und architektonischen Definition abweicht". Aber gleich zwei Doppelhäuser und noch ein Einfamilienhaus dazu?

Es folgt die nächste Überraschung: Das Grundstück kann ohne Genehmigung geteilt werden. Was am Maetzelweg auch gemacht wurde. Die Folge: Es gibt statt eines plötzlich drei Grundstücke, auf denen je ein Einzelhaus mit 200 Quadratmetern Grundfläche und zwei Vollgeschossen gebaut werden darf.

Somit wären sechs Wohneinheiten auf dem Grundstück genehmigungsfähig. Fünf hat Bauunternehmer Kage beantragt. Doch das ist nicht das Ende der Fahnenstange. Es kommt noch eine Differenzierung für Feinschmecker. Mit ihr steigt die Anzahl der genehmigungsfähigen Wohneinheiten auf zwölf. Denn im Baurecht gilt nicht nur ein Einzelhaus als Wohngebäude, sondern auch eine Reihenhausscheibe oder eine Doppelhaushälfte. Im fraglichen Abschnitt weist der Bebauungsplan Volksdorf 40 die "höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden" mit "2 Wo" aus. Genehmigungsfähig wären am Maetzelweg 4 also sechs Doppelhaushälften (Wohngebäude) mit je zwei Wohnungen. Zwölf Wohneinheiten wären aber auch dem Bauunternehmer zu viel gewesen: Wegen der vom Gesetz limitierten Grundfläche für die Häuser ergeben sich pro Doppelhaushälfte maximal 160 Quadratmeter Wohnfläche. Bei einer Aufteilung in zwei Wohnungen gerieten sie zu klein für den noblen Standort. Einer der Bauunternehmer bringt den Konflikt auf den Punkt. "Es geht ein Riss durch die Bevölkerung in den Außenbezirken", sagt Schröder. "Viele, die hier wohnen, wollen alles so erhalten wie es ist. Und viele wollen verkaufen und dabei möglichst hohe Preise erzielen. Das geht aber nur, wenn das Grundstück gut bebaut werden kann."