In ihrer Werkstatt am Lehmweg modelliert Johanna Beil Figuren aus Ton

Von wegen Krach in der Koalition. Friedlich sitzen sie nebeneinander auf der kleinen Holzbank. Er zeigt mit dem Finger in ihre Richtung und lächelt. Sie dagegen zieht die Mundwinkel herunter. "Brüderle und Schwesterle" heißt das Duo aus Ton. Es zeigt den Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, mit Angela Merkel (CDU). Gesicht und Frisur sind typisch für die Bundeskanzlerin, auffällig sind die Gesundheitsschuhe und das freizügige Dekolleté. "Ich mache sonst keine politischen Figuren, aber die beiden musste ich einfach modellieren", sagt Johanna Beil. Figuren mit Charme, Typen mit Witz - die hat die Eppendorfer Johanna Beil im Sinn, wenn sie in ihrer Werkstatt am Lehmweg 33 (irgendwie passend) einen Tonklumpen zur Hand nimmt und eine Statue formt.

So entstehen Taucher und Angler mit Fisch, ein Herr mit Hund, der Bewohner der Kokosnuss oder eine Gruppe von rüstigen Rentnern. Eine Figur kostet ab 500 Euro. "Ich erschaffe lieber Männer als Frauen, die finde ich lustiger und kann sie mehr als Typen gestalten", sagt die Künstlerin, die aus Esslingen kommt, aber seit mehr als 20 Jahren in Hamburg lebt.

Weitere Erkennungsmerkmale einer typischen Beil-Figur: "Sie sind immer alt, weil ich dann mehr in den Gesichtern gestalten kann. Und sie haben meist keine Haare." "Brüderle und Schwesterle" sind da eine Ausnahme. "Aber dieses Duo ist ja ohnehin ganz speziell", sagt die Künstlerin. Das Kreative hat im Leben von Johanna Beil von jeher eine Rolle gespielt. Ihr Vater unterrichtete Kunst am Gymnasium, ihre Mutter war Illustratorin. "Im Urlaub standen meine Eltern immer Seite an Seite, jeder mit einer Staffelei in den Wiesen vor den Bergen", erinnert sich die Tochter, die als Kind auch schon gern Stift und Pinsel zur Hand nahm.

Viele Jahre arbeitete die heute 49-Jährige als Illustratorin und bereitete in Handarbeit Entwürfe für Kunden auf. "Arbeiten, die heute eher am Computer erledigt werden." Irgendwann aber wollte Johanna Beil nicht mehr nur Aufträge erfüllen, sondern ihrer künstlerischen Fantasie freien Lauf lassen und selbstständig tätig sein. "Ich wollte die eingefahrenen Wege verlassen und mit einem anderen Werkstoff arbeiten." Jetzt gibt sie selbst den Ton an - mit Ton.

Zunächst formte sie Figuren in der Küche ihrer Wohnung auf der Uhlenhorst, seit Mai 2011 sind Galerie und Werkstatt am Lehmweg Ausstellungsraum und Produktionsstätte zugleich. Vorne stellt Johanna Beil die Werke verschiedener anderer Künstler aus, hinten, am langen Arbeitstisch, wird geformt und gefeilt.

Grundstoff ist weißer Ton im Zehn-Kilo-Klotz aus dem Künstlerbedarf. "Ich nehme einen Klumpen und modelliere von unten aufsteigend. Ich verwerfe manches auch wieder, beginne von vorn, probiere aus, lasse mich treiben. Das Gute an Ton: Ich kann ihn so lange bearbeiten, bis es meiner Meinung nach passt", sagt Johanna Beil.

Mindestens anderthalb Tage braucht Johanna Beil für eine etwa 25 Zentimeter große Figur. Wenn die Künstlerin Pause macht und ihre Arbeit unterbricht, wird die Figur in feuchte Tücher und Plastikfolie eingewickelt. Ist Beil mit ihrer Arbeit zufrieden, dann muss die Figur eine Woche lang trocknen und wird anschließend eine Nacht lang bei 1000 Grad im eigenen Ofen gebrannt. "Danach gibt es nichts mehr zu verändern."

Dann steht da ein Unikat mit Charme und Esprit. "Die Figuren muss man mit Humor sehen", sagt Johanna Beil. Ihr geht es um das Heitere. "Wenn die Passanten vor dem Schaufenster stehen und sich über meine Figuren amüsieren, dann bin ich hinten in der Werkstatt zufrieden."

Das ist dann Freude auf beiden Seiten - über den Angler, den Mann in der Kokosnuss oder eben über "Brüderle und Schwesterle".