Für Modelleisenbahnen interessieren sich immer weniger Menschen. Die Zahl der Geschäfte sinkt

Der Laden ist eine Fundgrube. In Regalen bis unter die Decke, in den Fächern von Schiebewänden, im Tresen und hinunter bis in den Keller liegt alles, was die Augen von Eisenbahn-Enthusiasten leuchten lässt. Hunderte Waggons und Lokomotiven, Schienen und Weichen in unterschiedlichen Maßstäben, Bausätze für Häuser, Fachzeitschriften. Auf 205 verschiedene Hersteller kommt Manfred Wolter, 63. Seit mehr als 40 Jahren kauft und verkauft der gelernte Dekorateur Eisenbahnen in einem der ältesten Hamburger Fachgeschäfte. Es ist sein Traumjob, und es gab goldene Zeiten, wenn in seinem ersten Laden in Barmbek die Kunden zu Weihnachten Schlange standen. Das ist vorbei. "In den vergangenen zehn Jahren kamen immer weniger Kunden", sagt Wolter. Ein Hobby stirbt langsam aus.

Glatt halbiert hat sich der Umsatz bei Wolters Modellbahnkiste, deren Hauptsitz heute immer noch in Barmbek ist. Waren es im Jahr 2000 umgerechnet 1,3 Millionen Euro, kommen heute 600.000 bis 700.000 Euro zusammen. Damals führte er drei Läden, jetzt sind es noch zwei. "Heute gibt es in der Stadt weniger als zehn Fachgeschäfte", sagt Horst Quacken, Fachverkäufer bei Klaus-Dieter Hartfelder in Bramfeld. Vor 20 Jahren, schätzt der Experte mit 40 Jahren Berufserfahrung, waren es mindestens doppelt so viele.

Auch bundesweit bröckelte der Umsatz in den vergangenen zehn Jahren. 2012 waren es erneut ein bis zwei Prozent, sodass noch 150 Millionen Euro übrig blieben, schätzt der Kölner Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels (BVS). "Der Abwärtstrend hält an, aber die Erlöse werden sich auf einem bestimmten Level einpendeln", ist Steffen Kahnt überzeugt. Doch wann und auf welchem Niveau das sein wird, kann der stellvertretende BVS-Geschäftsführer nicht sagen.

Eines ist klar: Die heutigen Hobbyeisenbahner haben fast alle die 50 längst überschritten. Den Jüngeren fehlt schlichtweg der Zugang. Denn schon seit Langem ist es nicht mehr selbstverständlich, dass ein Vater seinem Nachwuchs eine Eisenbahn schenkt, an der sie dann gemeinsam basteln. Internet, Spielekonsolen, Laptops und Handys haben Kleister, Kabel und Kombizange längst verdrängt.

Zwar hat auch bei den Modelleisenbahnen die Elektronik bereits seit Jahren Einzug gehalten. Wer will, kann Lokomotiven über eingebaute Decoder digital steuern oder gar mit einer Kamera auf der Lok die Fahrt auf der selbst gebauten Strecke auf einen Bildschirm übertragen. "Doch für so etwas interessieren sich nur Kunden, die schon eine Anlage haben, keine Computerfreaks", sagt Wolter.

Das sinkende Interesse wird auch bei den Preisen für gebrauchtes Zubehör deutlich, das Wolter seit der Firmengründung 1972 ebenfalls verkauft. Konnte er in guten Zeiten noch etwa ein Drittel unter dem Neuwert weiterverkaufen, liegt der Abschlag heute bei 50 Prozent. Bezeichnend ist dabei, woher die meisten Artikel kommen. Sie stammen vor allem aus Nachlässen, die junge Menschen vorbeibringen, weil sie mit den Sammlungen ihrer Eltern und Großeltern nichts anfangen können.

Dennoch hat die Industrie den Kampf um neue Kunden noch nicht aufgegeben. So bietet Märklin unter der Marke My World günstige Züge an, zu denen auch ein batteriebetriebener ICE im Maßstab 1:87 zählt. Die Funkfernbedienung beherrschen dabei schon Drei- bis Vierjährige. Werden sie älter und haben Feuer gefangen, kann der Zug später auch auf elektrischen HO-Gleisen eingesetzt werden. "Solche Konzepte können für Nachwuchs sorgen", sagt Fachhändler Karl-Heinz Dluzak. Sein Geschäft in Jenfeld gehört zu den 40 Läden bundesweit, die sich innerhalb der Einkaufsgenossenschaft Vedes auf Eisenbahnen spezialisiert haben. Dass auch seine Kunden vor allem im Seniorenalter sind, sieht er sogar positiv. "Die haben oftmals ein gutes Einkommen und kaufen sie nicht nur zu Weihnachten", sagt Dluzak. Um Hobby-Eisenbahner an sich zu binden, hat er vor zwei Jahren einen Kundenclub gegründet. Bei den monatlichen Treffen führen Mitglieder ihre Modelle vor und tauschen sich aus.

Auch Manfred Wolter versucht gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Markus Goth, der die Filiale in der Nähe des Hauptbahnhofs führt, alle Verkaufschancen zu nutzen. Dazu gehört, dass Loks, Waggons und Co. auf Ebay für Versteigerungen angeboten werden. "Dabei ist es schon vorgekommen, dass höhere Preise vereinbart wurden, als wir im Laden für weitere Modelle desselben Typs vorgesehen hatten", sagt Wolter. Immerhin 30 Prozent seines Umsatzes erzielt er über das Internet. Doch mit nennenswerten Umsatzzuwächsen rechnet er nicht mehr. Dennoch werden Wolter und sein Schwiegersohn weitermachen. Auch nach mehr als 40 Jahren mag Wolter nicht von seinem Traumberuf lassen.