Gemeinnützige Organisationen dürfen Stände nicht mehr mit Agenturen betreiben

Da geht es um bedrohte Tierarten, Hilfe für Krisenregionen oder auch um soziale Projekte im Land selbst: Einen Teil ihrer Spendengelder dafür erhalten gemeinnützige Organisationen über die Arbeit an ihren Infotischen in Fußgängerzonen oder auf großen Plätzen. Oft stehen dort aber nicht ehrenamtliche Mitglieder von Naturschutzvereinen oder karitativen Verbänden, sondern Profis, die Geld oder neue Mitglieder werben. Sie nennen sich Promoter oder Dialoger und werden von speziellen Agenturen engagiert - was für den unbeteiligten Beobachter nicht immer gleich zu erkennen ist. In Hamburg will der Bezirk Altona nun künftig solcher professionellen Werbung keine Genehmigung mehr für die Nutzung der öffentlichen Flächen erteilen. "Das Bezirksamt wird die bisherige Praxis ändern und gemeinnützigen Organisationen die Auflage erteilen, keine gewerblichen Personen zu betrauen", heißt es in einer Drucksache, die dem Abendblatt vorliegt.

Den Anstoß dazu hatte die SPD-Bezirksabgeordnete Anne-Marie Hovingh geliefert. Ihr sei aufgefallen, dass sich das Werben durch kommerzielle Agenturen häuft, sagt sie: "Oft geschieht das auf penetrante Art, und viele Bürger haben sich bei mir beschwert." Störend, so die SPD-Politikerin, empfinde sie auch, dass diese Infostände den Anschein erweckten, dass sie von Ehrenamtlichen betreut würden. "Das ist doch ein Vorgaukeln", sagt Hovingh.

Tatsächlich hat sich im Bezirk Altona die Zahl dieser professionell unterstützten Werbeaktionen in den vergangenen Jahren deutlich erhöht: Im Jahr 2008 erteilte das Bezirksamt 46 solcher Genehmigungen, 2010 waren es 97 und 2012 bereits 135. Beliebte Orte dazu sind der Paul-Nevermann-Platz, die Neue Große Bergstraße, die Straße Schulterblatt oder die Ottenser Hauptstraße. Auch große Organisationen wie den WWF oder Plan International führt das Amt in einer Liste von Genehmigungen auf, bei der spezielle Fundraisingfirmen engagiert worden waren. Fundraising ist der Begriff für das Einwerben von Geld, Sach- oder Dienstleistungen für vorgeblich gemeinnützige Ziele.

Selbst im Februar hatte das Bezirksamt noch solche Profistände zugelassen, obwohl es bereits im Herbst ein schärferes Vorgehen angekündigt hatte. "Der Fehler ist inzwischen korrigiert" , heißt es nun.

In Hamburg gibt es für die Genehmigung für solche Infostände allerdings eine Globalrichtlinie, die für alle Bezirke gilt. Wichtigste Regeln dabei: Nur in einem Bereich von zwei Metern um den Infostand dürfen Passanten angesprochen werden, und Mitgliederwerbung müsse in "eine überwiegende Informationstätigkeit eingebettet sein".

Mit diesen Auflagen begnügt sich beispielsweise auch der Bezirk Mitte, in dessen Zuständigkeit die großen Fußgängerzonen und Plätze der Innenstadt fallen. Altona beruft sich nun allerdings darauf, dass die Bezirke diese Richtlinie auch schärfer auslegen können - was die SPD-Politikerin Hovingh ausgesprochen begrüßt: "Altona wird damit in Hamburg zum Vorbild", sagt sie.

Die betroffenen Organisationen dürften das kritischer sehen: "Wenn Altona jetzt ausschert, halte ich das für nicht gut - aber wir müssen uns das jetzt erst einmal ansehen, das ist neu für uns", sagt etwa der Landesgeschäftsführer des BUND, Manfred Braasch.

Rund fünf Milliarden Euro werden jedes Jahr nach Zahlen des Deutschen Fundraising Verbandes in Deutschland gespendet. Professionelle Agenturen werben dazu oft junge Leute an. "Lerne mit Gleichaltrigen eine andere Stadt kennen, verdiene Geld und arbeite gleichzeitig für einen guten Zweck" - so der Tenor der Anzeigen, die auch schon einmal mit Tagesgeld und Prämien locken. Der Fundraisingverband verteidigt dabei das professionelle Spendeneintreiben ausdrücklich: Gemeinnützige Organisationen würden viele Lücken füllen, die nicht durch staatliche Leistung geschlossen werden könnten. Gerade für wichtige langfristige Projekte seien sie auf verlässliche Budgets angewiesen. Gleichzeitig müssten die Organisationen "immer stärker darum kämpfen, ihre Zielgruppen trotz starker medialer Konkurrenz der Wirtschaft zu erreichen", heißt es in einem Thesenpapier des Verbands. Doch gerade kleinere Organisationen hätten weder die personellen noch fachlichen Ressourcen, um diese Arbeit zu machen. Mithilfe der professionellen "Fundraiser" könnten sie sich aber wieder mehr auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, so lautet das Argument.

Die SPD-Politikerin Anne-Marie Hovingh sieht das jedoch anders. Durch die Zunahme solcher professionellen Stände erschwere sich gerade die Arbeit von Ehrenamtlichen immer mehr, sagt sie. Denn Infostände würden in der Bevölkerung mittlerweile immer weniger auf Akzeptanz stoßen. Unabhängig davon, ob sie von Agenturen oder freiwilligen Helfern betrieben werden.

Ob der Vorstoß aus Altona nun aber zu einer allgemeinen Entprofessionalisierung im Spendenmarkt beiträgt, dürfte fraglich sein. Der Deutsche Fundraising Verband jedenfalls geht von einem weiter wachsenden Bedarf an "professionellen Fundraisern" aus. Heute schon seien in der Branche rund 2500 Hauptberufliche tätig, in zehn Jahren würden es etwa 5000 sein.