Ältere sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Die Zahl der Arbeitnehmer über 65 Jahre ist in Hamburg auf 46.000 gestiegen

Hartmut Lünser hält den Bleistift in der Hand und zieht einen feinen Strich: Tür, Schaltanlage, Grube und Maschinenraum, alle Teile für Fahrstühle kommen aus seiner Feder. Seit 50 Jahren konstruiert der gelernte technische Zeichner für die Firma Hütter Aufzüge - auch heute mit 72 Jahren noch. "Er bündelt einen Großteil unseres Fachwissens", sagt Geschäftsführer Bernd Hütter, der seinen früheren Konstruktionsleiter direkt nach dem Ruhestand weiter an sich band.

15 bis 20 Stunden pro Woche arbeitet Lünser im Betrieb. Rund 46.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte über 65 Jahre sind in Hamburg gemeldet. Auch bundesweit gibt es diesen Trend. Rund 1,5 Millionen Menschen im Rentenalter arbeiten. "Wir haben in bestimmten Bereichen einen Mangel an qualifizierten Beschäftigen", sagt Professor Michael Bräuniger. Weil das Geschäft bei vielen Firmen noch gut laufe und die Lage am Arbeitsmarkt angespannt sei, griffen die Unternehmen auf Ältere zurück, sagt der Konjunkturchef des Hamburgischen Weltwirtschafts Instituts (HWWI). 1876 in der heutigen Hafencity gegründet, entwickelt der Familienbetrieb individuelle Aufzugsanlagen, die mit sehr wenig Platz auskommen oder geografische Hürden überwinden müssen. "Bei Schrägaufzügen sind wir Marktführer", sagt Hütter, dessen Aufzüge in Indonesien an Brücken hängen oder U-Bahn-Passagiere in die Unterwelt der südkoreanischen Hauptstadt Seoul bringen. Zwischen 30.000 und 600.000 Euro müssen die Kunden dafür bezahlen. Auf eine Erfindung ist Lünser besonders stolz ist: seine Hubtür. Der Clou: Die Tür geht nicht zur Seite auf, sondern schiebt sich in vier Elementen nebeneinander nach oben. Vor allem zur Nachrüstung von alten Lastenaufzügen wird die platzsparende Version gebraucht.

Weiter gefragt sein - nennt Professor Ulrich Reinhard als wichtigen Grund für den Arbeitseifer der aktiven Rentner: "Die Bevölkerung wird immer älter, ist fit und möchte ihre Produktivität zur Verfügung stellen", sagt der wissenschaftliche Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen. Für Lünser war das Weiterarbeiten eine willkommene Ablenkung. 19 Jahre wurde seine Frau von ihm gepflegt. "Ein paar Stunden mal Luft haben und etwas anderes machen, war für mich eine ungeheure Erleichterung", sagt er. Im vergangenen Jahr starb seine Frau.

Als arbeitender Rentner gehört Lünser zu den Trendsettern. HWWI-Konjunkturchef Bräuninger ist sicher: "Firmen werden künftig verstärkt auf ältere Arbeitnehmer setzen, um den Fachkräftemangel auszugleichen."