Wie ein Verein in Altona die Talente von Schülern aus Einwandererfamilien fördert

Fleißig war sie schon in der achten Klasse und sehr interessiert an politischen Dingen, damals vor fünf Jahren, als Zeleikha Foladi eine Haupt- und Realschule in Altona besuchte. Nur mit der Sprache Deutsch, da habe sie seinerzeit hin und wieder Probleme gehabt. "Klar, bei uns zu Hause reden wir ja nur in unserer Muttersprache", sagt die junge Frau, deren Eltern 1989 aus dem von Kriegen zerrissenen Afghanistan geflüchtet waren. Politische Diskussionen - das traute sie sich da kaum zu.

Heute merkt man von solchen "Schwächen", wie sie sagt, so gut wie nichts. Eine junge Frau, mit schwarzer Brille und wachem Blick, sitzt da am Tisch des Elbinstituts vom Verein Young Migrant Talents (YMT) und redet eloquent über ihre Zukunftspläne. Ihre Lehrerin hatte ihr seinerzeit empfohlen, sich bei dem Verein zu bewerben, der seit Juni 2012 seine Räume an der Großen Elbstraße in Altona hat und Schüler aus Migrantenfamilien fördern will.

Ein Teil des Programms dazu nennt sich Lernforum Altona-Altstadt, das gerade aus Mitteln der Stadtteilförderung vom Bezirk Altona und der Stadtentwicklungsbehörde finanziert wird: 40 neue Schüler können daher jetzt zum Frühjahr wieder zusätzlich aufgenommen werden. Die Aufnahme geschieht dabei meist durch Empfehlungen der Schulen.

Die Schüler erwartet bei YMT keine Hausaufgabenhilfe, sondern eine Art intellektueller Turbo, der die oft eher schwierigen Startbedingungen solcher Jugendlichen ausgleichen will. Sprachprobleme und Unsicherheiten der Eltern, die sich erst noch ins System von Bildung und Gesellschaft des neuen Landes hineinfinden müssen - das seien solche Gründe, warum diese jungen Menschen nicht eine vergleichbare Förderung erfahren wie ihre Mitschüler, sagt YMT-Gründerin Barbara Seibert. "Das wollen wir ausgleichen, wir wollen Türen öffnen, Anregungen geben."

So durchlief Zeleikha bei YMT verschiedene Tests, um herauszufinden, wo sie besonders gefördert werden müsste. Zusammen mit anderen Teilnehmern nahm sie an Reisen zu Universitäten teil, war bei Gesprächen mit Experten dabei, die der Verein für die jungen Leute regelmäßig organisiert. Olaf Scholz, noch als Bundesarbeitsminister, war einer davon. Zum damaligen Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, reisten die jungen Leute auch, diskutierten mit Naturwissenschaftlern und auch mit Thomas Straubhaar, dem Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts. Regelmäßig werden solche Studienfahrten angeboten.

Den Jugendlichen soll so vermittelt werden, wie man Mythen durch Fakten ersetzt und sich eine eigene Meinung zu Themen bilden kann, wie Barbara Seibert sagt. Bewerbungstraining, Gespräche über persönliche Ziele und Abi-Vorbereitungen zählen ebenfalls zu dem Programm. Wöchentlich gibt es den Mittwochs-Lernkreis, wo die Teilnehmer in kleinen Gruppen von Dozenten in Fremdsprachen, Mathematik oder Geschichte unterrichtet werden.

Für Zeleikha Foladi öffnete sich im Laufe der Jahre so eine neue Welt, wie sie sagt. Sie lernte Leute aus der Politik kennen, machte ein Praktikum bei der Hamburger SPD. "Ich hätte mich sonst nie getraut, mich da zu bewerben." Gemeinsam mit ihrer Freundin Sahar Heidari lernte sie im YMT-Elbinstitut für ihre schriftliche Abi-Prüfung. "Da haben wir ein ganz gutes Gefühl", sagen beide junge Frauen.

2007 hatte Barbara Seibert den Verein in Hamburg gegründet, weil es aus ihrer Sicht kaum spezielle Talentprogramme für Schüler mit Migrationshintergrund gab. "Dabei können genau diese Jugendlichen in den nächsten Jahren das Bild der Einwanderungsgesellschaft entscheidend positiv mitprägen", sagt sie.

Inzwischen gibt es Standorte des Vereins auch in Berlin und Stuttgart. Finanziert wird der Verein von Stiftungen, Behörden und Unternehmen. Rund 250 Teilnehmer zählte YMT mittlerweile deutschlandweit, 100 davon in Hamburg. 45 Prozent der bisherigen YMT-Absolventen kamen von Haupt- und Realschulen, rund 95 Prozent davon machten ihr Abitur. Für sie hat der Verein ein Stück Chancengleichheit schaffen können, sagt Gründerin Seibert. Auch Zeleikha Foladi gehört zur dieser ersten YMT-Generation. Die frühere Haupt- und Realschülerin mit Schwächen in Deutsch wird in Kürze an die Universität gehen. Um Politikwissenschaften zu studieren.