Rudolf Nährig war Kellner im Vier Jahreszeiten. In seinem Buch schreibt er jetzt über den Beruf und prominente Gäste

Er habe, bekennt Oberkellner a. D. Rudolf Nährig, immer noch Respekt vor dem Hotel Vier Jahreszeiten, das in seiner ganzen Pracht das Westufer der Binnenalster und damit einen wichtigen Teil der Stadtansicht prägt. Wer Rang und Namen hat, ist hier Stammgast. Nicht nur die Reichen, Schönen und Prominenten aus dem Ausland logieren im Fünf-Sterne-Luxushotel. Viele Persönlichkeiten der feinen Hamburger Gesellschaft besuchen das Fairmont-Hotel zum privaten oder repräsentativen Essen im "Jahreszeiten Grill".

Das in den 20er-Jahren im Art-Decó-Stil eingerichtete Restaurant mit Traumblick auf die Alster hat Nährig als Maître von 1989 bis zu seiner Pensionierung im Oktober 2011 so erfolgreich geleitet, dass das Hotel mit ihm Werbung machte, ihn als "Unikum" vorstellte, das über außergewöhnliche Talente verfüge. So lud Nährig als "singender Oberkellner" an der Seite professioneller Künstler immer wieder zu stets ausverkauften "Wiener Liederabenden". Zudem spricht Nährig drei Fremdsprachen fließend. Nun hat der 67-jährige Kellner aus Leidenschaft auch noch ein Buch geschrieben und Erlebnisse aus 52 Berufsjahren aufgezeichnet, der Schwerpunkt liegt auf den 34 Jahren im "Vier Jahreszeiten", wo er 1977 begann. Wer jedoch Celebrity-Tratsch erwartet hat, wird bei der Lektüre angenehm enttäuscht: Das Schreiben ist ein weiteres Talent des Wieners.

In knappen und anschaulichen Worten entführt der Autor in die Welt eines Grandhotels, in die feine Gesellschaft, die so fein auch nicht immer ist. Sensibilität und Beobachtungsgabe sind Voraussetzung, um so treffend beschreiben zu können. Zugleich könnte das Buch mit dem Titel "Gern hab ich Sie bedient" den Untertitel "Confessiones" tragen. Denn an Bekenntnissen des Maître mangelt es nicht.

"Dienen ist kein Beruf, es muss eine Berufung sein", nennt Rudolf Nährig das Credo seines Arbeitslebens. Darüber hinaus, so der gläubige Katholik, habe er seinen "Kellnerberuf stets ähnlich wie den des katholischen Pfarrers aufgefasst, vom Zölibat vielleicht einmal abgesehen". So ein Pastor solle sich schließlich auch in erster Linie um seine Schäfchen kümmern, weiß der Oberkellner, und seine "eigenen Belange an die zweite Stelle" setzen.

Dennoch sollten Kellner die Kunst beherrschen, auch die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Das Trinkgeld spielt für die Altersvorsorge eine wichtige Rolle. Allerdings weiß ein guter Kellner, dass seine Devise lauten muss: "Bediene jeden Gast so, als würde er viel Trinkgeld geben." Dennoch erfahren wir von Gästen mit "Portemonnaie aus Maulwurfsleder - es hat nie das Tageslicht gesehen" und solchen, die sich in anderer Hinsicht nicht korrekt verhielten. Auch mit Blick auf die schlechten und die guten Gäste nimmt Nährig kein Blatt vor den Mund.

Wohl auch deshalb haben viele Prominente, von denen Anekdoten erzählt werden, die Veröffentlichung gestattet. Nur drei Beschriebene hätten abgelehnt, sagt Nährig. Und manch Name sei geändert worden, wenn über Macken und Marotten zu berichten gewesen sei.

Zum Glück haben alle anderen dem Abdruck zugestimmt, von Roman Herzog bis zu Ulrich Tukur. Wundervoll ist eine Episode, in der Tukur mit seiner heutigen Frau Katharina John einen großen Streit austrug, der damit endete, dass sie ausrief "Jetzt gehe ich in die Elbe und ertränke mich." Worauf Tukur antwortete: "Geh lieber in die Alster, weil bis zur Elbe überlegst du es dir doch wieder anders." Die Anekdoten von Begegnungen mit Sir Peter Ustinov, mit dem erst im Alter gelegentlich lächelnden Heinz Rühmann und dem laut lachenden Ulrich Wildgruber dürfen als Bereicherung der Geschichtsschreibung gelten. Sie sind voller Hochachtung im Buch verewigt, das im Osburg Verlag erschienen ist - illustriert mit Zeichnungen von Johannes Henninger.

Jenseits der Anekdoten ist "Gern hab ich Sie bedient" ein lehrreiches Buch, für das Hotelpersonal einerseits und die Gäste andererseits. Es enthält das Beste an Service-Psychologie, was Keller und Küche zu bieten haben.

Rudolf Nährig: "Gern hab ich Sie bedient",

Osburg Verlag, 280 S., 19,95 Euro