Popcorn im Kino, Bier und Wurst im Stadion: Warum muss das alles so teuer sein, fragen sich Matthias Iken und Fabian Nitschmann. Und finden erstaunliche Argumente

Am Popcorn scheiden sich die Geister: Während Cineasten den aufgepoppten Mais schlicht grauenvoll finden, können Filmfreunde in den Multiplex-Lichtspielhäusern davon nicht genug bekommen. Doch eines eint sie: Beiden Gruppen ist der Preis ein Rätsel. Da kostet eine Jumbo-Packung 5,99 Euro, der halbe Liter Cola dazu noch einmal 3,59 Euro. Die Kalorien kommen im Kino teurer als die Karte. Filmtheater gelten als Vorreiter eines Trends, der im Freizeitbereich überall um sich greift. Wie bei der Miete oder Flugtickets gesellt sich zu den Eintrittskarten längst eine zweite Rechnung aus versteckten Nebenkosten. Insgesamt kletterten die Preise im Bereich "Kultur, Unterhaltung und Freizeit" im Dezember 2012 um 2,2 Prozent und gehörten damit zuletzt zu den Treibern der Inflation.

Und entwickeln sich zum Ärgernis. Das Bier im Stadion, die Pommes im Zoo, die Brezel im Zirkus - neben teuren Karten fühlt sich so mancher Besucher abgezockt. Besonders arg treibt es der Cirque du Soleil, der zuletzt in Hamburg gastierte. Für eine kleine Apfelschorle und eine Brezel zahlte man im Zelt im Moorfleeter Gewerbegebiet satte 9,50 Euro, für ein Magnum-Eis noch einmal 4,50 Euro - Letzteres also mit einem Aufschlag von 200 Prozent im Vergleich zum Handel.

Und die Besucher kaufen. Hat man den Kunden nämlich erst einmal in sein Zelt gelockt, folgt die Zweitverwertung etwa mit Fan-Devotionalien zu Mondpreisen. "Die Preissensibilität ist bei Eintrittskarten viel höher als bei Serviceleistungen während eines Events", sagt Thorsten Hennig-Thurau, Professor für Marketing und Medien an der Universität Münster. "Wenn ich mich erst einmal für ein Ereignis entschieden habe, dann will ich Spaß haben. Dann bin ich spendabel, denn es ist Teil des Events, dessen Genuss ich nicht durch Knauserigkeit gefährden will", sagt der gebürtige Hamburger Hennig-Thurau.

Auf diesen Genussmoment setzen inzwischen Veranstalter aller Branchen. Essen und Trinken sind kein notwendiges Begleitangebot, sondern zentrales Element des Erlebnisses. Vorreiter sind die internationalen Illusionisten. Beim Cirque du Soleil heißt es: "Wir betrachten unsere Show als Premium-Erlebnis." Gerade als mobiler Veranstalter habe man hohe Kosten, betont Manager Martin Gagnon.

Hennig-Thurau sieht es ökonomischer. "Entscheidend ist die Zahlungsbereitschaft der Zielgruppe. Und die ist zum Beispiel im Cirque du Soleil eine andere als in der Fabrik in Altona." Es gebe eine Grenze der Zahlungsbereitschaft, an der die Stimmung umschlage.

Weit von dieser Grenze entfernt sind die klassischen Angebote der Hochkultur. Im Schauspielhaus kosten Softdrinks 2,50 Euro, das Glas Wein 4,50 Euro. Anka Dohmen vom Schauspielhaus sagt, der Pächter müsse die Personalkosten ganz anders kalkulieren als in einem normalen Gastronomiebetrieb. Aufgrund der kurzen Pausen sei ein schneller Service entscheidend. "Trotz dieses Umstands liegen die Bewirtungspreise im Schauspielhaus auf einem vergleichsweise moderaten Niveau", sagt Dohmen.

In den Fußballstadien hingegen driften die Preise in Richtung Champions League. Wer ein Stadiongedeck aus Bier und Currywurst wählt (bei St. Pauli kostet es sechs Euro; beim HSV 7,70 Euro), stößt fast schon in die Dimension einer Eintrittskarte vor. Das Tagesticket für eine Zweitliga-Partie liegt bei rund 13 Euro, für ein Bundesliga-Spiel im Schnitt bei 22,75 Euro. "Damit ist die Bundesliga die preisgünstigste Topliga in Europa, in England liegt der durchschnittliche Ticketpreis bei fast dem Doppelten", lobt sich die Bundesliga. Das teure Pils und die happige Wurst liefern dazu einen bescheidenen Anteil. Denn die Verträge mit den Gastronomen sind für die Vereine lukrativ. Das Catering treibt die Umsätze nach oben. Sein Anteil stieg im Fußballgeschäft zuletzt von 9,6 auf 11,4 Prozent. Ausgerechnet die verhasste Kommerzialisierung des Fußballs wirkt preisdrückend. Die Erlöse aus Merchandising und Catering lassen sich leichter steigern.

Auch der Tierpark Hagenbeck hat nach zusätzlichen Einkommensquellen gesucht und sie in der Fritteuse und am Zapfhahn gefunden. Wer bei Hagenbeck hungrige Kinder dabeihat, wird rasch ein zweites Eintrittsgeld los. Fischstäbchen mit Pommes und ein Orangensaft schlagen mit 11,10 Euro zu Buche; für ein großes Tafelwasser sind 3,90 Euro, für die Backkartoffel mit Champignons 8,90 Euro fällig.

Nepp, Abzocke und nachvollziehbare Kalkulation liegen eng beieinander. Das zeigt der Blick aufs Kino. Die Branche leidet unter einem Besucherrückgang. Von 2003 bis 2012 sind die Besucherzahlen von 140 auf 135 Millionen pro Jahr gesunken. Zugleich stiegen die Ticketpreise um ein Drittel von 5,75 Euro im Schnitt auf 7,65 Euro. In derselben Zeit kletterte der Preisindex nur um 21 Prozent.

Weil die Hamburger Cinemaxx AG börsennotiert ist, ermöglicht sie einen genauen Blick in die Geschäfte eines Freizeitkonzerns. Der Marktführer erzielte im ersten Halbjahr 2012 einen Umsatz von 82 Millionen Euro. Doch nur 51 Millionen Euro davon stammen im Inland aus dem Verkauf von Tickets - ein Rückgang zum Vorjahreszeitraum von zwei Prozent. Schon 19,5 Millionen Euro gaben die Besucher für Essen und Trinken aus, ein Plus von gut fünf Prozent. Pro Besucher erlösten die Kinobetreiber damit 3,42 Euro extra.

Vielleicht ist es anders, als Kulturpessimisten und Sozialromantiker argwöhnen: Nicht das verfluchte Popcorn-Kino schießt den Lichtspielhäusern die Lichter aus, es ist genau andersherum: Das Popcorn rettet das Kino.

Mitarbeit: Nils Kemter