In der Box-Akademie in Jenfeld erfahren Nachwuchs-Faustkämpfer Fairness und Miteinander

Die Gefahr nähert sich beinahe lautlos, auf Hüfthöhe eines Erwachsenen. Während der zehnjährige Amnar mit fester Entschlossenheit einen Fuß vor den anderen setzt, schnellt seine linke Führhand immer wieder zackig nach vorne. Der Jab, besagter Schlag beim Boxen, sieht schon recht gekonnt aus. Amnars kleiner Kopf ist hinter seiner Deckung aus den erhobenen Armen geschützt. Er ist derart konzentriert bei der Sache, dass ihm erst nach dem Erreichen des Geräteraums der Sporthalle gewahr wird, dass er die Übung über das ursprünglich angesetzte Maß hinaus erfüllt hat. Der Nachwuchs-Faustkämpfer mit den jordanischen Wurzeln blickt auf, wundert sich kurz, sagt "oh", lächelt, macht flink auf dem Absatz kehrt und flitzt zurück zu den anderen 15 Jungen und drei Mädchen im Alter von sechs bis zwölf Jahren, die heute am Training der Box-Akademie Hamburg teilnehmen.

Nicht weit von ihm entfernt steht ein kräftiger Mann mit Brille, hohem Haaransatz und ergrautem Vollbart. Er hat die Szene verfolgt und schmunzelt. Waldemar Sidorow schaut mit Freude und auch mit Stolz zu, wie die Kindergruppe unter der Anleitung von Trainer Andreas Buchner ihre Übungen vollzieht. Der 56-jährige studierte Theologe Sidorow war es auch, der Anfang 2009 viel dazu beigetragen hatte, dass die Box-Akademie Hamburg gegründet wurde und seitdem in der Jenfelder Stadtteilschule am Denksteinweg ihr Zuhause hat. Sidorow war Teil eines Trios, das sich zum Ziel gesetzt hatte, Kinder und Jugendliche in Jenfeld "auf einen guten Weg zu bringen", ihren Willen über den Boxsport zu schulen.

"Ein zukünftiger Weltmeister wird sich hier sicher nicht finden", sagt Sidorow. Dies sei auch nicht das Ziel. "Es geht darum, dass es die Kinder und Jugendlichen schaffen, ein Zusammenleben zu organisieren, dass sie Umgangsformen lernen und wie sich Konflikte friedlich lösen lassen. Sie sollen die Spielregeln der Gesellschaft erkennen. Sicherstellen kann ich es nicht, dass sie in der Freizeit ihre Kraft nicht falsch anwenden. Aber ich kann die Energie kanalisieren, sie positiv nutzen."

Sein Trainerteam besteht aus zwölf Personen, die sich aus unterschiedlichen Berufsgruppen zusammensetzen. Es gibt acht Trainingsgruppen in drei Altersklassen. Rund 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben einen Migrationshintergrund. Die Schulen seien überzeugt von dem Projekt, weil es eine große Hilfe für die Lehrer sei. "Die Kinder sind im Unterricht ruhiger und konzentrierter geworden", sagt Sidorow. Wie lange die Akademie ihre Sozialarbeit in Jenfeld noch wird ausüben können, lässt sich nicht prognostizieren. Sidorow: "Wir leben von der Hand in den Mund. Man kann nur für zwei, drei Monate vorausschauen." Bislang geht es gut. Es gibt keine Mitgliedsbeiträge. Die 50.000 bis 60.000 Euro, die Jahr für Jahr an Kosten zum Erhalt anfallen, wurden stets so gerade eben durch die Mittel einer Stiftung, durch Spenden und durch Unterstützer generiert.

Einer dieser Unterstützer, die Fitness-Studio-Kette McFit, zählt auch zu den Premiumsponsoren im Portfolio der ukrainischen Box-Weltmeister Vitali und Wladimir Klitschko, die in Hamburg groß geworden sind. Diese Verbindung wollte sich Sidorow zunutze machen. "Ich habe das Management der Klitschkos einmal angeschrieben, ob es nicht möglich sei, dass sie unsere Box-Akademie einmal besuchen. Ich weiß ja, dass die Klitschkos solche sozialen Projekte unterstützen", sagt Sidorow. Sein Versuch war nicht von Erfolg gekrönt. Aber Sidorow will nicht aufgeben. "Es würde uns sehr helfen, wenn die Klitschkos irgendwann einmal zu uns kämen, um mit den Kindern ein bisschen zu trainieren. Das würde der Box-Akademie Hamburg enorm viel Aufmerksamkeit verschaffen", sagt er.