Für die sanierten 710 Saga-Wohnungen an den Beerboomstücken stehen Bewerber Schlange

Wie gut, dass dem Umbau der Wohnsiedlung Beerboomstücken mehr Glück beschieden war als dem Kaispeicher A in der HafenCity. Sonst würde bei Bärbel und Kurt Müller immer noch der Bagger vor der Tür ihres Reihenhauses stehen. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Beide Bauten wurden vom selben Architekten geplant. Der Hamburger Werner Kallmorgen (1902 bis 1979) baute nicht nur den bekannten Kaispeicher A, auf dem die Elbphilharmonie entsteht, sondern auch die Saga-Siedlung in Groß Borstel.

Der Ruf der nun sanierten Häuser an der Straße Beerboomstücken ist inzwischen auch allemal besser als der des künftigen Konzerthauses an der Elbe. Die Betonung liegt auf inzwischen, denn die Straße hat es erst in der jüngeren Vergangenheit geschafft, ihren schlechten Ruf im Viertel abzulegen. Nun gibt es sogar einen ganzen Aktenordner voll mit Briefen von Bewerbern, die liebend gern dort einziehen würden.

Die Straße präsentiert sich mit akkuraten Vorgärten und blitzsauberen Fassaden - in Pastellfarben zwischen Zartgelb und Apricot. "Die Häuser sind 1955 gebaut worden", sagt Jens Oliczewski, Leiter der Saga-GWG-Geschäftsstelle Eimsbüttel, die Sanierung sei unausweichlich gewesen. "Anfangs waren die Strukturen noch ganz gut. Hier lebten viele Familien." Doch im Lauf der Jahrzehnte sei der Anspruch an die Wohnfläche stetig gestiegen, "die Nachfrage nach den kleinen Reihenhäusern und Wohnungen in den Mehrfamilienhäusern war nicht mehr da". Zumal immer weniger Mieter bereit waren, Kohleöfen und provisorische Bäder zu akzeptieren. Die soziale Zusammensetzung geriet in Schieflage, die Beschwerden der Alteingesessenen nahmen ständig zu. ",Mein Nachbar hat mich verhauen, er hat immer laute Musik an, mein Nachbar ist den ganzen Tag besoffen, er schmeißt den Müll aus dem Fenster.' Mit solchen Anrufen hatten wir ständig zu tun", sagt Oliczewski. Man habe als Vermieter tätig werden müssen und sich von dem einen oder anderen Störenfried getrennt.

Die wichtigste Maßnahme zur sozialen Stabilisierung war aber die umfangreiche Sanierung. "Alle Häuser sind modernisiert worden. Es wurden Drainagen gelegt, ein Wärmeverbundsystem aufgebracht, isoverglaste Fenster sowie Heizungen und Bäder eingebaut", sagt der Saga-Geschäftsstellenleiter. Plötzlich wurde die Siedlung für Mieter wieder interessant. Jennifer Wilke, 25, gehört zu den neuen Bewohnern. Die Sprechstundenhilfe lebt mit ihrem Mann Daniel und der Tochter Lia-Sophie, 2 , in einem der 55 Quadratmeter großen Reihenhäuser: "Es war das Beste, was uns passieren konnte." Die Hamburgerin, die davor in Neuallermöhe gewohnt hat, war überglücklich, als sie von der Saga das Angebot bekam. "Das Haus war gerade fertig saniert. Mit dem kleinen Garten war das ein Traum." Besonders glücklich ist sie auch über ihre Nachbarn, Bärbel und Kurt Müller, die seit 48 Jahren im Reihenhaus nebenan leben. "Man kennt sich hier und hilft sich gegenseitig."

Wenn es um etwas Gravierendes geht, ist Hans-Jürgen Sehnke zur Stelle. Der 57-Jährige kümmert sich als Saga-Hauswart mit einem Kollegen um die 710 Wohnungen. "Als ich zum ersten Mal hier war, dachte ich nur: ,Wo bist du denn hier gelandet?'", sagt er. "In viele Wohnungen war Feuchtigkeit eingedrungen, es gab Schimmel. Und es wohnten viele hier, die man nicht gern als Nachbarn gehabt hätte." Die Zusammensetzung der Mieter habe sich ganz stark verändert.

Wenn er jetzt mit seinem Dienstfahrrad, auf dem eine Alukiste mit Werkzeug und Material festgeschnallt ist, unterwegs ist, wird er freundlich gegrüßt. "Bei 95 Prozent der Namen kann ich die dazugehörige Wohnung nennen", sagt Sehnke. Mit Helga Andersen beispielsweise ist er per Du. Die 78-Jährige lebt seit 1956 in derselben Wohnung. "Es war das erste Haus, das fertiggestellt wurde, und wir waren die zweiten Mieter, die einzogen", sagt sie. Einen Sohn und drei Töchter hat die Witwe mit ihrem Mann in der 47 Quadratmeter großen Wohnung großgezogen. Jetzt lebt sie allein hier.

Sie hat viele Nachbarn an der Straße kommen und gehen sehen. "Auch hier im Haus wohnten schlimme Jungs", erinnert sie sich. Trotzdem trauert sie in einem Punkt der Vergangenheit nach: "Früher hatten wir im Büro des Hauswarts eine Waschküche." Dort habe man sich früher immer getroffen und geklönt.