Die Villa Luna ist bis 22 Uhr geöffnet, das Rundum-sorglos-Paket kostet 1700 Euro pro Monat

Friederike Ulrich

Es ist die klassische Zerreißprobe berufstätiger Eltern. Die Konferenz will nicht enden, der Chef braucht den Bericht heute noch - und in der Kita sitzt ein Kind, das dringend abgeholt werden muss. Irgendwann spürt jeder Elternteil den Druck. Es ist ein Druck, den die Mutter von Christiana und der Vater von Ela nicht mehr haben. In der exklusivsten Kita der Stadt genügt ein Anruf, und das Kind kann länger bleiben. Notfalls betreut die Villa Luna in Winterhude bis 22 Uhr.

Mit extrem flexiblen Öffnungszeiten, Wochenenddienst, Rundum-sorglos-Angeboten und bei Bedarf auch Fahrservice drängt die Edelherberge auf den hiesigen Kita-Markt. Die Betreiber wollen die Zwangslage berufstätiger Eltern beenden, wenn unregelmäßige Feierabendzeiten zum Job gehören. Und Eltern bereit sind, einen hohen Preis für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu zahlen.

In Hamburgs wohl innovativster und teuerster Kita zahlt man bis zu 1700 Euro für einen Platz. Monatlich. Die Villa Luna in der City Nord hat im Oktober eröffnet, erst wenige von 75 Plätzen sind belegt - das dürfte aber nicht an den Kosten liegen, sondern daran, dass sich die Existenz der Luxus-Kita unter den Besserverdienenden noch nicht herumgesprochen hat.

Kita-Leiterin Jessica Latzenberger ist aber zuversichtlich, dass sich das schnell ändern wird. Die anderen sechs Standorte der Villa Luna GmbH, darunter drei in Düsseldorf und einer in Prag, werden überrannt. In Hamburg sind 700 Quadratmeter angemietet. Oberstes Gebot ist, dass die Kinder sich wohlfühlen. Auf verschiedenen Ebenen können die Kleinen spielen und kuscheln, bauen, malen und basteln. Zum Schlafen geht's in den Ruheraum, wo kleine Korbbetten und bunte Matratzen unter blauen Baldachinen stehen. Gegessen wird im Kinderrestaurant. Frühstück, Mittag und Nachmittagssnacks - alles Bio und Vollwert - bereiten Hauswirtschaftskräfte zu. Besonders angesagt ist das Badezimmer, auch Nass-Atelier genannt. Hier gibt es Miniatur-Toiletten in kleinen Kabinen und große Spiegel.

Bei so viel Extravaganz lassen Kritiker nicht lange auf sich warten. Zumal Fünf-Sterne-Kitas in Deutschland keine Ausnahme mehr sind. Martin Peters, Referent für frühkindliche Bildung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, nennt die zunehmende Zahl der Nobel-Kitas eine "unglückliche Entwicklung". Er hat die Sorge, dass einer Zweiklassengesellschaft Vorschub geleistet wird. "Eltern, die es sich leisten können, kaufen sich Zeit und Personal. Dabei separieren sie ihre Kinder in einem goldenen Käfig."

Auch Franziska Larrá, pädagogische Geschäftsführerin der Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas, ist skeptisch. Sie sieht in der Villa Luna zwar keine Konkurrenz, es handele sich um ein "Nischenangebot". Dennoch fürchtet sie um die Chancengleichheit von Kleinkindern, spricht von der Gefahr der Segregation, der Trennung nach sozialer Herkunft. "Das ist Elitenbildung im frühkindlichen Stadium."

Für Jessica Latzenberger liegt der Vorteil der Villa Luna nicht nur im Open-End-Service, sondern auch im Personalschlüssel. "Bei uns kümmern sich im Krippenbereich drei Pädagogen um zehn, im Elementarbereich vier Pädagogen um 20 Kinder." In Hamburger Gutschein-Kitas werden entsprechend große Gruppen von jeweils zwei Fachkräften betreut. Die Luxusbetreuung hat ihren Preis, von 825 Euro (sechs Stunden im Elementarbereich) bis 1695 Euro (zwölf Stunden Krippe, Kinder unter 15 Monate alt).

Für Jens Kastner von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft tragen Kitas wie die Villa Luna zu einer Form der Überbehütung bei. "In Watte gepackten Kindern entgeht eine ganze Lebenswelt", sagt er. Sie würden von realen Einflüssen ferngehalten. Dennoch habe die Villa Luna ihre Daseinsberechtigung. Denn in vielen anderen Kitas gebe es nun mal einen für Eltern beunruhigenden Fachkräftemangel.