Das Restaurant Speicher 52 im Hamburg Marriott Hotel bietet “Neue Nordische Küche“

Wenn ein Restaurant in Hamburg sein Speisenrepertoire als "Neue Nordische Küche" ankündigt, denkt der informierte Feinschmecker sofort an Rene Redzepi und sein berühmtes Gourmetlokal "Noma" in Kopenhagen, an innovative Kreationen mit Produkten der Region. Entsprechend gespannt sind wir auf das Angebot des neu gestalteten Restaurants "Speicher 52" im Marriott Hotel an der ABC-Straße.

Auf den ersten Blick gibt sich der große Gastraum jetzt modern-nordisch: mit taubenblauen Wänden, Tischplatten aus massiven Dielen und frisch lackierten Stühlen. Zum veränderten Interieur gehören als Blickfang auch ein antiker Ohrensessel, eine originelle Kommode und Porzellan-Wandlampen im Stil der 20er-Jahre. Auf großflächigen Schwarzweiß-Bildern sind Szenen aus der Hamburger Arbeitswelt um die Jahrhundertwende zu sehen.

Während die flinken jungen Damen vom Service schon einmal zwei Sorten Baguette mit Butter und unser Mineralwasser (Apollinaris Selection 0,75 Liter 7,80 Euro) auftragen, verschaffen wir uns einen Überblick über die Speisenkarte. Und werden sogleich über die "Neue Nordische Küche" à la Speicher 52 aufgeklärt: Mit der etwas irreführenden Bezeichnung sind überwiegend klassische Gerichte aus Norddeutschland und Skandinavien gemeint, etwa Kartoffelsuppe mit Lauch und Dillcroûtons (6 Euro), Smoerrebroed mit Flusskrebscocktail, Hering oder Roastbeef (Stück 9,50 Euro) und Gedünstetes Kabeljaufilet mit Spinat und Kartoffeln (24 Euro).

Nichts ist mit kreativer Nordischer Küche, aber die Klassiker können ja auch gut schmecken. Also probieren wir uns etwas unorthodox durch das Angebot, und der Einstieg gefällt schon mal: Nordische Hummersuppe mit Aquavitschaum (12 Euro) mit kräftigem Krustentiergeschmack, ganz im Stil einer ordentlichen Bisque. Als zweites Gericht haben wir Elchbratwurst mit Kartoffeln und Rotkohl ausgewählt (15 Euro). Ob die lange Wurst mit Elchfleisch gefüllt ist, können wir mangels Vergleichsmöglichkeiten nicht bestätigen, aber sie ist gut gewürzt und schmeckt. Weniger Erfreuliches lässt sich von den Beilagen berichten, den blassen, kaum gebräunten und geschmacklosen Kartoffeln und dem faden Rotkohl.

"Us de la meng" heißt die Rotweincuvée aus Spätburgunder- und Dornfelder-Trauben, die seit Jahren vom Weingut Meyer-Näkel an der Ahr ausgebaut wird. In diesem Wein ist die Lammkeule zart-mürbe geschmort worden, die wir als Hauptgericht bestellt haben (18 Euro). Dazu gibt es ein wenig ansehnliches "Nordisches Ratatouille" mit zu weich gekochten Möhren und Kohlrabi sowie schwedische Hasselback Potatis, eine mit Käse überbackene Kartoffel. Zur Lammkeule trinken wir natürlich Werner Näkels "Us de la meng" (0,2 Liter 9 Euro). Etwas preiswerter ist unser Weißwein zum Fisch, ein fruchtiger 2011er Weißburgunder vom Weingut Reichsgraf von Kesselstatt an der Mosel (0,2 Liter 6 Euro). Leider kann das Gericht in der Qualität nicht mithalten, die gegrillte Makrele hat zwar eine krosse Haut, ist aber trocken durchgegart. Auch die Beilagen retten diesen Gang nicht: eine Scheibe wenig aromatischer Dillblütenbutter, sautierter, sehr bitterer Spinat und gebratene, wiederum blasse Kräuterkartoffeln mit wenig Kräutern.

Bei den Desserts verlässt die Küche ganz konsequent die nordische Linie und bietet an, was die Gäste immer noch am liebsten mögen - Tiramisu (3 Euro) und Creme brûlée (5 Euro), beides in sehr ordentlicher Qualität. Etwas kräftiger könnte der Espresso dazu sein (2,50 Euro).

Dieter Braatz ist stellvertretender Chefredakteur

der Zeitschrift "Der Feinschmecker"

Dieter Braatz testet

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Heute: Speicher 52