Jetzt entdeckt: Heinrich und Theodor Zeise meldeten den Feldkochherd schon 1850 zum Patent an

Die Geschichte muss neu geschrieben werden - zumindest die der Gulaschkanone. Ging die Fachwelt bisher davon aus, dass der Feldkochherd anno 1892 vom pfälzischen Tüftler Carl Philipp Fissler entdeckt wurde, gibt es nun neue Erkenntnisse. Bei Forschungen für seine Doktorarbeit stieß der Hamburger Wissenschaftler Bernd Pastuschka auf eine Patentschrift vom 30. Mai 1850. Daraus geht hervor, dass die Gulaschkanone, so die volkstümliche Bezeichnung der mobilen Feldküche, in Altona entwickelt und erstmals eingesetzt wurde.

Dank Pastuschkas Arbeit gibt es mehr Klarheit über ein spannendes Stück Zeitgeschichte im Großraum Hamburg inmitten des 19. Jahrhunderts. Denn die Altonaer Industriellenfamilie Zeise wollte nicht in erster Linie die Ernährung der Armee neu organisieren, sondern vielmehr die Speisung armer Menschen vorantreiben. Auch in Altona gab es Kantinen, um das Elend in der seinerzeit freien Stadt in Grenzen zu halten.

Der Apotheker Heinrich Zeise und sein Sohn Theodor waren erfolgreiche Unternehmer und Erfinder - mit ausgeprägtem Sinn für Menschlichkeit. Vater und Sohn Zeise, an deren Familie heute die Zeise-Hallen mit dem Zeise-Kino erinnern, meldeten ihre mobile Dampfküche offiziell als Patent an. Dieses wurde am 30. Mai 1850 genehmigt.

Ein kleines Wunder: Der Prototyp im Modell ist bestens erhalten. Das gute Stück sieht aus wie ein Handkarren aus Metall mit vier verschieden großen Rädern, einem Kanonenrohr zum Dampfablassen und mehreren integrierten Kochtöpfen. Damals war nicht nur die Mobilität des Essens revolutionär, sondern auch die Art der Zubereitung. In umfangreichen Tests bewiesen Heinrich und später Theodor Zeise die Vorteile der Dampfgarung. Ernährungsstudien in den Altonaer Speisehallen bewiesen, dass die sogenannten Gulaschkanonen nicht nur preisgünstig und effizient kochten, sondern das Essen zudem schmackhafter und gesünder war als die herkömmliche Armenspeisung.

Wissenswertes über eine bedeutende Phase Hamburgischer Geschichte liefert das von der Autorin Anne Mahn veröffentlichte Buch "Propeller des Fortschritts: Die Zeises in Hamburg". Herausgegeben wurde es vom Altonaer Museum, das unter diesem Motto von Oktober 2008 bis Februar 2009 eine Ausstellung organisierte: "Die Geschichte einer Fabrik und ihrer Gründerfamilie". Dort zu sehen war auch der oben beschriebene Prototyp der von Zeise konstruierten mobilen Feldküche. Wegen der Schließung des Museums aufgrund von Renovierungsarbeiten bis zum 1. Mai 2013 wurde es seitdem im Metall-Magazin des Museums verwahrt. "Als stadthistorisches Objekt soll es in der geplanten neuen Dauerausstellung zum 350. Jubiläum der Altonaer Stadtrechte im Jahr 2014 präsentiert werden", so das Museum.

Doch jetzt wurden diese Pläne geändert - dem Sozialwissenschaftler Bernd Pastuschka von der HafenCity Universität sei Dank. Der 52 Jahre alte Hamburger, geboren in Altona, forscht seit Jahren zum Thema Kaffeeklappen und Volksspeisehäuser in der Hansestadt. "Beim Aktenwühlen im Staatsarchiv stieß ich eher zufällig auf die Patentschrift der Zeises", sagt Pastuschka. Somit ist geklärt, dass die mobile Feldküche - die Gulaschkanone - nicht 1892 in Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz, sondern bereits 42 Jahre vorher in Altona entwickelt und angemeldet wurde.

Diese Nachricht stieß beim Altonaer Museum auf großes Interesse. Bernd Pastuschka ließ sich den im Archiv gelagerten Prototypen zeigen. Gut dass Sammlungsverwalter Burkhard Jodat, selbst ein Historiker, ein Herz für das Anliegen hatte. Kurz entschlossen änderte die Museumsleitung ihren Plan: Von sofort an ist die erste Gulaschkanone der Welt im Foyer ausgestellt. Denn die Vorhalle ist auch während der Museumsschließung geöffnet.