Was Hamburger tun, die sich Nachwuchs für Pferd, Hund oder Meerschweinchen wünschen

Allein diese Wörter: Zuchtwart! Decktaxe! Phänotyp! Der Duktus der Tierzüchter ist ein Duktus für Tierzüchter. Was hat also Christina Melzer damit zu tun? So reden ja sonst nur Menschen, die professionell Rassegeflügel züchten, sich in Reptilienzirkeln organisieren oder auf eine Mitgliedschaft im Pinscherverein hinarbeiten. Menschen wie Christina Melzer ist diese Welt dagegen fremd.

Jetzt steckt die 39 Jahre alte Inhaberin eines Eimsbüttler Kosmetikinstituts allerdings mittendrin. Notgedrungen muss die Freizeitreiterin nach einem Deckhengst für ihre Hannoveraner-Stute Davina suchen. Nach einem Unfall ist das Tier reitunfähig, soll aber wenigstens kostenlos zur Nachzucht zur Verfügung gestellt werden. Doch wie findet man außerhalb geschlossener Züchterkreise den richtigen Partner für sein Tier? Über die Zeitung? In Internetforen? Auf Ausstellungen? Christina Melzer machte, was man heute eben macht, wenn man Kontakte sucht: Sie schaltete eine Kleinanzeige und verbreitete ihr Anliegen im Internet-Netzwerk Facebook.

Außerhalb der gewerblichen Tierzucht sei das inzwischen der übliche Weg, sagt Susanne Elsner, Präsidentin der Hamburger Tierärztekammer. "Verantwortungsvolle Tierhalter konsultieren vorher einen Tierarzt", sagt sie. In ihrer Klinik in Rotherbaum werde sie oft mit dem Reproduktionswillen für Haustiere konfrontiert. "Das sind natürlich unsere liebsten Tierhalter." Aber im Prinzip gebe es im Internet für jede Tierart das passende Forum, lokale Splittergruppen inklusive. "Dort schreibt man als Meerschweinchen- oder Katzenbesitzer, dass man aus Hamburg kommt und Nachwuchs für sein Tier wünscht. Dann findet sich das meistens." Besitzer von Mischlingshunden hätten es sogar noch leichter. "Die gehen einfach über eine Hundewiese und fragen direkt nach."

Die direkte Kontaktaufnahme suchte auch Christina Melzer in ihrem Reitstall in Wohldorf-Ohlstedt. Vergebens. Denn eigentlich hatte sie ja nie vor, in die Zucht einzusteigen. Ihre Stute Davina war ein Freizeitpferd. Sechsmal pro Woche ausreiten, spazieren gehen, voltigieren. Heute ist das anders.

Vor einem Jahr hatte Davina einen Unfall. "Sie wurde auf der Weide gefunden, verhakt in einen Zaun, das linke Hinterbein aufgerissen." Seitdem kann das Pferd nicht mehr geritten werden. Beim Unfall, so die Diagnose, ist auch die Hüfte in Mitleidenschaft gezogen worden. Normalerweise werden diese Tiere als Beistellpferd verkauft. Aber verkaufen will Christina Melzer nicht. "Ich habe Davina jetzt sieben Jahre, sie ist Teil der Familie." Zudem besitzt die Stute einen ausgezeichneten Stammbaum. Der Vater ist De Niro, der Hengst des Jahres 2008. "Darum soll sie sich jetzt auch nicht einfach vermehren. Es geht um Zucht", sagt Melzer. Im Internet gibt es spezielle Pferdemarkt-Seiten wie ehorses oder das Rosettenforum für Meerschweinchenfreunde. Unter Hundezüchtern ist die Seite universal-dog beliebt, sagt Viola Thon aus Rissen, Zuchtwartin beim Pinscher-Schnauzer-Klub. Das Internet, sagt sie, spiele eine große Rolle bei der Tiervermittlung. Zuchtbücher, Deckrüden - alles könne man sich vorab ansehen. Aber Viola Thon, die Mittelschnauzer vom Fidibus züchtet, gehe natürlich noch auf Ausstellungen. Hamburgs gewerbliche Tierhalter seien gut vernetzt. Züchter wüssten: "Der persönliche Eindruck ist unerlässlich."

Überhaupt, sagt Amtstierärztin Anke Höfer, sei der Mensch entscheidend. Im Bezirk Altona kümmert sich die Veterinärin um die Einhaltung des Tierschutzgesetzes. Das Internet biete zwar die größtmögliche Reichweite, aber oft auch ein Forum für Laien mit geringer Sachkunde. "Ich würde dazu raten, Fachbücher zu studieren, gewerbliche Züchter zu kontaktieren oder einen Tierarzt zu fragen, bevor man den Nachwuchswunsch ins Internet stellt", sagt sie. Denn nicht selten landet das Resultat bei ihr. "Gerade Hundehalter müssen sich klar sein, dass ein Wurf entwurmt und durchgeimpft werden muss." Bei bis zu 120 Euro pro Tier sei das auch eine Kostenfrage. Zudem sollte man schon vorher Abnehmer für den Tiernachwuchs haben. "Unsere Tierheime sind voll mit Hunden und Katzen", sagt Sven Fraaß vom Tierschutzverein Hamburg. Wie alle Experten plädiere er deshalb dafür, das Vermehren von Tieren eingehend zu überdenken und nicht leichtfertig im Internet nach tierischem Nachwuchs zu streben.

Auf das Vermehren kommt es Christina Melzer nicht an. Dann hätte sie auch einen Deckhengst kommen lassen können, eine "Decktaxe" bezahlt und den Nachwuchs großgezogen. Aber sie ist Freizeitreiterin, keine Züchterin. Sie will vorrangig einen Menschen, der ihr Tier gut behandelt. "Im ungefähren Umkreis von 100 Kilometern, da ich die Stute gerne besuchen möchte", schreibt sie. Die Vorarbeit war dabei ihrerseits geleistet. Aber tierärztlicher Rat hin, Kontakt mit dem Dachverband der Hannoveraner-Züchter her - als Laie stand sie trotzdem vor dem Problem: Wie finde ich ein passendes Tier?

Die Antwort bei ihr könnte lauten: über Facebook. Da gibt es ein ernsthaftes Angebot aus Neumünster.