Warum Lehrer Arne Ulbricht, der am Gymnasium Allee unterrichtete, nicht Beamter sein will

Er eckt an, er teilt aus. Er verschont niemanden, auch nicht sich selbst - und das ist bei seinem Berufsstand eher ungewöhnlich: Arne Ulbricht, Lehrer für Französisch und Geschichte, hat auf gut 150 Seiten die Bilanz seiner ersten zehn Jahre als Schulpädagoge aufgeschrieben und die seiner eigenen Schulzeit und des Studiums gleich mitgeliefert ("Lehrer - Traumberuf oder Horrorjob?", Vandenhoeck & Ruprecht, 12,99 Euro).

Man kann diese Biografie eines erst 40-Jährigen, die das Buch auch ist, als etwas aufgesetzt empfinden, aber Ulbricht schreibt in einem lockeren, unakademischen und unterhaltsamen Ton, was über manche Eitelkeit hinweghilft. Und er bietet eine ungewöhnliche Perspektive auf die real existierende Schullandschaft. Er ist zwar Insider, war aber über fast die gesamte Zeit seiner beruflichen Karriere Außenseiter in den Kollegien. Ulbricht hat als Vertretungslehrer gearbeitet, sich von Fristvertrag zu Fristvertrag gehangelt, drei Jahre lang an Hamburger Schulen.

Die hiesige Schulbürokratie - man ahnt es schon bei dem Temperament des Autors - kommt dabei nicht gut weg (obwohl es Steigerungen gibt: Berlin und Nordrhein-Westfalen zum Beispiel). Dass ein Vertretungslehrer heute bisweilen nicht weiß, ob er morgen noch vor der Klasse steht, weil sein Vertrag ausläuft, und der Anschluss ungewiss ist, ist nur unter großer Anstrengung als zumutbar zu bezeichnen. Dass aber Abiturienten mitten in der Prüfungsphase eventuell ihren Lehrer verlieren, darf verantwortungsvollen Bürokraten einfach nicht passieren.

Ulbricht schildert folgendes Beispiel: Am Gymnasium Allee in Altona bereitete er Schüler auf das mündliche Abitur vor. Sein Vertretungsvertrag endete am 2. Juni, die Prüfungen sollten aber erst Mitte Juni stattfinden. "Als ich meinen Schülern davon erzählte, dachten sie, ich würde sie veralbern. Ich hatte sie aber nicht veralbert", schreibt Ulbricht. "Die Schulbehörde hatte sie veralbert. Sie hat wegen irgendwelcher Vorgaben die Schüler bis kurz vor dem Abitur im Ungewissen gelassen, wer ihnen die Prüfung abnehmen wird." Am Ende wurde Ulbrichts Vertrag bis zum letzten Schultag vor den Sommerferien verlängert, dem 5. Juli.

Trotz der wiederholten Erfahrung von behördlicher Geringschätzung ist er alles andere als ein verbitterter Lehrer. Ja, er findet sogar zunehmend Gefallen an seinem Status als Teilzeit-Aushilfslehrer. Aber er geht keinem Konflikt aus dem Weg, will sich nicht dem Druck des Alltags beugen. "Ich habe immer Probleme mit Autoritäten gehabt", schreibt Ulbricht an einer Stelle. Das glaubt man ihm gern. Mal sind es die wirklichkeitsfremden Bürokraten (er ist "angeekelt von der unverschämten Ignoranz derjenigen, die in den Behörden sitzen und den Schulbetrieb nur noch in Papierform kennen"), mal sind es seine Direktoren, die allzu bequemen Kollegen oder die Bildungsföderalisten.

Für einiges Aufsehen hat in den Medien gesorgt, dass Ulbricht seine 2012 erfolgte Verbeamtung wieder zurückgegeben hat und nun Angestellter ist. Er findet gute Gründe für seine Weigerung. Nicht der unwichtigste ist dieser: Wie kann ein Lehrer, der unkündbar und materiell lebenslang abgesichert ist, Schüler auf die harte Berufswirklichkeit in der freien Wirtschaft überzeugend vorbereiten?

Vor allem gibt Ulbricht ungeschminkt Einblick in sein Leben als Lehrer, er offenbart schonungslos seine Schwächen, seine Selbstzweifel. Er schildert minutiös die Eskalationsstufen von Unterrichtsstunden, die aus dem Ruder laufen. Diesen "Horrorstunden" stellt Ulbricht "Traumstunden" gegenüber, in denen die Schüler mitziehen, Unterricht gelingt und der Lehrer nicht autoritärer Feind, sondern sympathischer Lernbegleiter der Schüler ist. Ulbrichts Buch ist radikal ehrlich.