Nirgendwo sonst steigen Mieten und Immobilienpreise so rasant wie in Hamburg

Der Preisanstieg auf dem Hamburger Wohnungsmarkt geht ungebremst weiter. Nach Zahlen des Instituts Forschung & Beratung ist der Anstieg bei Neuvermietungspreisen nirgendwo in Deutschland so stark wie an der Elbe. Die Hamburger Immobilienexperten untersuchten einen Zeitraum von fünf Jahren: Die Mieten stiegen hier in dieser Zeit um 19,7 Prozent, im teuren München um 14 Prozent. Die Preise für Wohneigentum klettern ebenfalls kräftig - 2011 allein um mehr als elf Prozent, wie der Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen ermittelt hat. Quadratmeterpreise von rund 4000 Euro sind in den beliebten Innenstadtlagen die Regel.

Für Peter Kurz und seine Frau sieht so der Traum von Wohnen und Lebensqualität aus: Citynah mit kurzen Wegen zum Job, zu Geschäften, Museen, Restaurants - nicht irgendwo am Rand der Stadt. Der Diplom-Kaufmann im öffentlichen Dienst sieht sich als Normalverdiener mit sicherem Job. Da sollte es kein großes Problem sein, sich eine Wohnung zu kaufen. Dachte er - vor vier Jahren schon. Inzwischen hat er eine neue Einsicht gewonnen: "Wohnen in der Stadt - das geht kaum, wenn man seinen Lebensstandard halten will."

Schon jetzt zahlt er für seine Mietwohnung in Blankenese mehr als ein Drittel des Einkommens. Doch die Preise für Eigentum in der Stadt ließen ihn blass werden. Selbst wenn in Altona Hinterhöfe bebaut werden, muss man mehr als 4000 Euro pro Quadratmeter zahlen, hat er erfahren müssen. "Das ist für Normalverdiener nicht zu finanzieren", sagt Kurz. Er schloss sich deshalb mit 20 anderen zusammen und gründete das Baugemeinschaftsprojekt "Tor zur Welt". Gemeinsam will die Gruppe nun selbst ein Haus bauen und kalkuliert mit rund 3000 Euro als Quadratmeterpreis. Einfach nur dadurch, dass Spekulationsgewinne wegfallen.

Tatsächlich erleben gerade innenstadtnahe Viertel einen Preisanstieg, den viele nicht mehr mitmachen können. Die Kaltmieten kletterten in einem beobachteten Zweijahreszeitraum pro Jahr laut Mieterverein um 5,8 Prozent auf eine Durchschnittsmiete von 7,15 Euro pro Quadratmeter. Bei Neuvermietung liegt die durchschnittliche Quadratmeter-Miete bei 10,55 Euro. Die Kaltmiete wohlgemerkt. Hinzu kommt: Heiz- und Energiekosten stiegen um 112 Prozent seit dem Jahr 2000.

Doch sogar teure Wohnungen mit Mieten jenseits von 15 Euro haben keine Vermarktungsprobleme. Grund sei die Unsicherheit vieler Anleger wegen der Euro-Krise, sagt Verena Herford, Geschäftsführerin des Landesverbandes Freier Immobilienunternehmen.

Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper in Hamburg, beklagen deshalb Mietervereine oder Initiativen. Tatsächlich gilt die alte Regel schon lange nicht mehr, wonach maximal ein Wochenlohn für die Wohnkosten kalkuliert werden muss. Bundesweit sind es im Schnitt etwa 33 Prozent, in Hamburg nach Zahlen des Immobilienverbands sogar schon etwas mehr als 40 Prozent.

Der Mieterverein berichtet von Mitgliedern, die sogar mehr als 50 Prozent ihres Einkommens für Wohnen ausgeben müssen - oft Rentner und Menschen, die wenig verdienen.

Der Grundeigentümer-Verband spricht von einem sehr unterschiedlichen Markt in Hamburg. Hohe Mieten - das sei vor allem ein Phänomen der Innenstadt, sagt Verbandsgeschäftsführer Heinrich Stüven. Weiter außen in Harburg, Hamm, Öjendorf oder Farmsen lägen die Mieten niedriger, selbst bei Neuvermietung. Tatsächlich ist die Spanne zwischen günstigen und teuren Mieten laut Immobilien-Institut Forschung & Beratung nirgendwo so groß wie in Hamburg. Sie beträgt hier 164, in Frankfurt und München 95 Prozent.

Doch Wegziehen aus Eppendorf, Altona oder Eimsbüttel - das fällt schwer. Auch Normen Niehbuhr, einem 36-jähriger Geschäftsmann aus Eppendorf. Er lebt mit Ehefrau, Tochter und einem Hund in einer "wunderschönen Altbauwohnung". Für die rund 75 Quadratmeter zahlt er 1150 Euro Warmmiete. "Das ist für die Gegend normal", sagt der Betriebswirt. Als Alternativen kämen allenfalls Klein Flottbek, Winterhude und Alsterdorf infrage - niemals der Sprung über die Elbe.

Wenn nun Menschen wie Diplom-Kaufmann Kurz oder Geschäftsmann Niehbuhr sich schon mit dem immer teurer werdenden Wohnen herumschlagen müssen, wie geht es dann Menschen, die eher wenig verdienen? Stadtforscher warnen eindringlich vor einem Auseinanderdriften in arme und reiche Viertel. Doch was ist zu tun? Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) hat eine Bundesratsinitiative gestartet: Neue Mieten sollen danach maximal 20 Prozent über der ortsüblichen Miete liegen dürfen. Die Grundeigentümer halten das für grundfalsch. "Das schreckt Investoren ab", warnt Geschäftsführer Heinrich Stüven. Siegmund Chychla vom Mieterverein widerspricht: "Zwischen 1990 und 2001, als diese Grenze noch galt, wurden in Hamburg viel mehr Wohnungen gebaut als seitdem." In der Tat: Waren es in den 90ern im Schnitt 6355 Wohnungen pro Jahr, sind es von 2001 bis heute durchschnittlich 3675.

Stadtforscher wie Jörg Knieling fordern neue Konzepte bei der Grundstückvergabe durch die Stadt. Das dürfe nicht mehr nach Höchstpreisverfahren geschehen. Hamburg selbst versucht wieder, verstärkt Sozialwohnungen zu bauen, deren Bestand dramatisch abgenommen hat, weil nichts nachgebaut wurde. Doch man darf nicht vergessen: Elf Euro Kaltmiete - das gilt bei Bauherren als Untergrenze, um Mietwohnungsbau finanzieren zu können. Den Abstand zur Sozialmiete von 5,80 Euro aufzufüllen kostet Geld: Steuergeld.

Deshalb will die Stadt Genossenschaften und Baugemeinschaften fördern und bei Neubauprojekten bedenken. Genau darauf setzen Peter Kurz und seine Mitstreiter vom Projekt "Tor zur Welt". Sie hoffen nun auf ein Grundstück von der Stadt in der HafenCity. 2016, so vermutet Kurz, können sie dort bauen. Gegründet wurde die Baugemeinschaft 2009.