Auf der Fachtagung „Familiengeheimnisse – Wenn Eltern suchtkrank sind und die Kinder leiden“ im Dezember 2003 im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung in Berlin vereinbarten die Experten ein zentrales Papier mit den „Zehn Eckpunkten zur Verbesserung der Situation von Kindern aus suchtbelasteten Familien“.

In Deutschland leben über 2,5 Millionen Kinder unter 18 Jahren, die mit mindestens einem suchtkranken Elternteil aufwachsen. Diese Kinder leiden häufig unter kognitiven Einschränkungen sowie sozialen, psychischen und körperlichen Belastungen. Zudem leben sie mit einem erhöhten Risiko, später selbst suchtkrank zu werden. Die Verbesserung ihrer Situation ist eine Zukunftsaufgabe – für die betroffenen Kinder, ihre Familien und für die Gesellschaft.

Die zehn Eckpunkte:

1. Kinder aus suchtbelasteten Familien haben ein Recht auf Unterstützung und Hilfe, unabhängig davon, ob ihre Eltern bereits Hilfeangebote in Anspruch nehmen.

2. Den Kindern muss vermittelt werden, dass sie keine Schuld an der Suchterkrankung der Eltern tragen. Sie brauchen eine altersgemäße Aufklärung über die Erkrankung der Eltern und bestehende Hilfeangebote.

3. Die Zusammenarbeit zwischen den Hilfesystemen, insbesondere der Suchtkrankenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe und den medizinischen Diensten, muss optimiert werden. Um wirkungsvolle Interventionen zu erreichen, muss arbeitsfeldübergreifend kooperiert werden. Lehrer, Erzieher, Ärzte, Sozialarbeiter, Psychologen und Pädagogen müssen verbindlich zusammen arbeiten. Das Ziel ist, betroffene Kinder und Eltern frühzeitig zu erkennen und die ihnen angemessene Unterstützung anzubieten.

4. Die Öffentlichkeit muss über die Auswirkungen von Suchterkrankungen auf Kinder und Familien informiert werden. Eine sensibilisierte Öffentlichkeit erleichtert es Eltern, die Sucht als Krankheit anzunehmen. So wird den Kindern der Weg geebnet, Unterstützung zu suchen und anzunehmen.

5. Das Schweigen über Suchterkrankungen muss beendet werden. Es muss ein Klima geschaffen werden, in dem betroffene Eltern und Kinder Scham- und Schuldgefühle leichter überwinden und Hilfe annehmen können. Kinder leiden unter Familiengeheimnissen.

6. Auch Suchtkranke wollen gute Eltern sein. Suchtkranke Eltern brauchen Ermutigung und Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung. Das Wohl der Kinder muss bei diesen Bemühungen im Mittelpunkt stehen.

7. Die familienorientierte Sichtweise erfordert eine gemeinsame innere Haltung der beteiligten Helfer. Sie muss Grundlage aller Angebote und Interventionen sein.

8. Bei Kindern, deren Familien sich gegen Hilfeangebote verschließen, kann zum Schutz der Kinder im Einzelfall auch eine Intervention gegen den Willen der Eltern erforderlich werden.

9. Schule und Kindertagesstätte sind zentrale Lebensräume für Kinder aus suchtbelasteten Familien. Sie müssen dort mit der erforderlichen Aufmerksamkeit frühzeitig erkannt werden. Gemeinsam mit den Eltern müssen Hilfeangebote vermittelt werden.

10. Das Wissen über die Entstehung von Suchterkrankung sowie die Auswirkungen auf Kinder und Familien muss verpflichtend in die Ausbildung der pädagogischen, psychologischen und medizinischen Berufsgruppen aufgenommen werden. So wird das Bewusstsein der Problematik in den jeweiligen Fachdisziplinen frühzeitig gefordert und langfristig eine gesellschaftliche Einstellungsveränderung gefördert. (abm)