Ein altes plattdeutsches Wort sagt: „Toerst lährt een Freesenjung dat Loopen, glieks dorna aber al dat Klootscheeten.“

(Zuerst lernt ein Friesenjunge das Laufen, aber direkt danach gleich das Klootschießen).

Für manche Ohren mag das etwas übertrieben klingen, doch in früheren Zeiten galt es sicher. Nur so konnten sich die traditionellen Wurfspiele bis in unsere Tage halten: das Klootschießen und das Boßeln.

Das ältere von den beiden ist das Werfen oder „Smieten“ mit dem kleinen Kloot, eine Hartholzkugel, dreimal durchbohrt und mit Blei ausgegossen, je nach der Altersgruppe der Werfer zwischen 250 und 475 Gramm schwer, entsprechend der Durchmesser von 52 bis 58 Millimeter. Ein reines Wintervergnügen. Über hart gefrorenen Boden geht es vor allem in der baum- und buscharmen Marsch möglichst direkt hinter dem Außendeich quer feldein. Mann gegen Mann, Dorf gegen Dorf, Gruppe gegen Gruppe, in mehreren Durchgängen.

Nach ähnlichen Regeln wie beim Klootschießen verläuft auch das zu jeder Zeit mögliche „Boßeln”, das Werfen mit der dicken Pockholzkugel (heute aus Hartgummi) auf den Landstraßen. Auch hier, je nach der Altersgruppe, von 660 bis 1250 Gramm schwer, entsprechend der Durchmesser von 9,5 bis 12 Zentimeter.

Wenn der Ursprung des Klootschießens auch im Dunkel der Zeit liegt, so gibt eine Urkunde aus dem Jahre 1510, die zum ersten Mal von diesem alten Spiel Kunde gibt – ausgerechnet wegen eines schweren Unfall.

Dabei flog der Kloot einem Zuschauer –sie werden hier „Käkler un Mäkler” bezeichnet – ins Gesicht und hinterließ ein blaues Auge und wie es heißt, zwei blutige Stellen.

Das Spiel war der Obrigkeit bald ein Dorn im Auge, weil es einigen Ärger mit sich brachte: Es wurde um Geld, Alkohol und Wertgegenstände gewettet, übermäßiger Alkoholgenuss führte zu üblen Raufereien mit manch schwerer Verletzung. Mitte des 16. Jahrhunderts sprachen sich eben wegen des Sittenverfalls die reformierten Kirchen gegen das Klootschießen aus, während die Lutheraner sich weit toleranter zeigten. So konnte sich das Klootschießen vor allem in lutheranischen Gegenden ausbreiten.

Bei Ausgrabungen wurden etwa 2000 Jahre alte Kugeln gefunden, die aus gepresstem Lehm bestanden und vermutlich als Wurfgeschosse gedient hatten. In den Niederlanden tauchten etwa 700 Jahre alte Klootkugeln auf, die bereits die heutige Form hatten: Holzkugeln, kreuzweise durchbohrt und mit Blei ausgegossen.

Mitte des 19. Jahrhunderts entstand dann das Boßeln. Die Kugeln waren schwerer, die Wurftechnik dagegen einfacher als beim Klootschießen und so konnte sich das Spiel zu einem wahren Volkssport entwickeln, an dem sich heute auch Kinder und Frauen beteiligen. Ein weiterer Vorteil des Boßelns ist die Tatsache, dass es zu jeder Jahreszeit betrieben werden kann, während die Klootschießer bei ihren Wettkämpfen auf gefrorenen Boden angewiesen sind. Gute Klootschießer erreichen mit ihren Würfen über hundert Meter – der Kloot würde im nicht gefrorenen Boden einfach stecken bleiben.

Feste Strukturen für das Friesenspiel entstanden in Ostfriesland 1902 durch die Gründung des Friesischen Klootschießer-Verbandes (FKV), in dem sich auch die Boßeler organisierten. Klare Regeln gab es lange Zeit nicht, aber zum Klootschießen gehörten viele Sitten und Gebräuche, denen die Ostfriesen treu geblieben sind. Über Jahrhunderte waren Klootschießen und Boßeln nur den Männern vorbehalten. Die traditionsbewussten Boßeler lehnten die Zulassung von Frauen in ihren Verbänden strikt ab, woraufhin in den 50-er und 60-er Jahren etliche hartnäckige Ostfriesinnen eigene Gruppen gründeten. Das Frauen-Boßeln breitete sich schlagartig aus und inzwischen sind die Frauen längst in den Vereinen und Verbänden fest integriert. (abm)