Hans-Günther Werner, ehrenamtlicher Geschäftsführer der Arbeitslosenselbsthilfe Wedel, schildert die Vorgschichte des Steuerstreits aus Sicht des Vereins.

Wedel. Seit knapp 30 Jahren gibt es die Arbeitslosenselbsthilfe in Wedel. In der Zeit sind ca. 6000 Arbeitsplätze in Wedel verschwunden. Arbeitslosigkeit ist zum Alltag geworden wie auch Armut, wie auch die Wedeler Tafel zeigt. Ganz besonders schlimm dran sind Flüchtlinge und Asylbewerber, die weniger als den Hartz IV-Satz erhalten und keine reguläre Arbeit aufnehmen dürfen.

Die Arbeitslosenselbsthilfe – Arbeit für alle – e.V. Wedel hat sich um die Problematik und um die betroffenen Menschen gekümmert. Der Verein war und ist mit seinem Engagement natürlich immer unbequem gewesen, hat aber vielen helfen können. Anfangs wurden Selbsthilfegruppen, die sich um Arbeitslose kümmerten, gefördert. Als das Problem größer wurde und die öffentlichen Mittel geringer, hörte die Förderung auf und viele Gruppen lösten sich in der Folge auf. Nicht so in Wedel. Der Verein schaffte es durch die Selbsthilfe, d. h. durch ehrenamtliche Arbeit vieler Einzelner sich unabhängig von Fördermitteln zu erhalten. Denen, die für den Verein tätig sind, ergibt sich durch diese Tätigkeit und so genannte „Milde Gaben“, dass sie wieder wichtig werden, dass sie etwas tun können, dass sie beitragen zum Erhalt des Vereins und dass sie etwas Geld erhalten für ihren schweren Alltag.

Das ist möglich durch den Bereich „Dienstleistungen aller Art“, in dem Aufträge durch für den Verein ehrenamtlich und unentgeltlich Tätige erledigt werden, z.B. Gartenarbeit, Umzüge und einfache handwerkliche Aufgaben.

Denen, die für den Verein ehrenamtlich und unentgeltlich tätig sind, dient dieses zum Erhalt ihrer Würde, ihrer Gesundheit und Arbeitsfähigkeit während der oft sehr langen „Wartezeit auf bessere Zeiten“. Diese niedrig schwellige Wiedereingliederungsmaßnahme wurde vor zwanzig Jahre vom Sozialministerium in Kiel mitentwickelt und gefördert.

Das Geld, das durch diese Aufträge erwirtschaftet wird, wird für die gemeinnützigen, mildtätigen Zwecke des Vereins ausgegeben, das heißt für Hilfe für Arbeitslose und Bedürftige, aber natürlich auch für die laufenden Kosten des Treffpunktes Arbeitslosenzentrum.

Auch die Personen, die diese Mittel durch ihre ehrenamtliche und unentgeltliche Arbeit erwirtschaftet haben, erhalten - soweit sie arbeitslos oder bedürftig sind - Zuwendungen, die so genannten „Milden Gaben“. Nicht nur sie, aber sie auch.

Das ist vom Konzept her der Sinn der Selbsthilfe, dass gerade auch die von Arbeitslosigkeit und Armut Betroffenen die Mittel erwirtschaften, die ihnen direkt oder indirekt zu Gute kommen.

Das Gute an diesem Konzept ist, dass auch die tätig sein können, die z.B. als Flüchtlinge keine Arbeitserlaubnis haben – denn ihr Einsatz ist arbeitsrechtlich keine Arbeit – und dass ihnen die Zuwendungen, die „Milden Gaben“ nicht auf Sozialhilfe oder HARTZ IV angerechnet werden, da es sich im sozialrechtlichen Sinne nicht um anrechenbares Einkommen handelt.

Auf dieses Konzept war der Verein immer stolz und hat es auch seit Beginn z.B. auf Kirchentagen im Rahmen des Markts der Möglichkeiten vorgestellt.

Dieses Konzept kann auch gute Erfolge bei der Eingliederung nachweisen. Viele, die z.B. als Flüchtling ohne Arbeitserlaubnis beim Verein tätig waren, haben heute Arbeit, sind teilweise selbständig und etliche besitzen inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft.

Es gab im Laufe der Jahre gerade vom Finanzamt immer mal wieder Anfragen wegen der Tatsache, dass die ehrenamtlich und unentgeltlich im Bereich „Dienstleistungen aller Art“ Tätigen auch als Arbeitslose und Bedürftige Empfänger von Zuwendungen, den „Milden Gaben“ sein können.

In der Vergangenheit wurden Schwierigkeiten und Missverständnisse z.B. mit dem Finanzamt mit Hilfe von Landespolitikern überwunden bzw. ausgeräumt.

2007 ergab sich ein neues Problem mit dem Finanzamt Itzehoe, das bis heute nicht gelöst ist und dass zu dem aktuellen Schritt des Antrags auf Insolvenz geführt hat.

Im Rahmen einer Körperschaftssteuerprüfung wurde in Zweifel gezogen, dass der Bereich „Dienstleistungen aller Art“ als Zweckbetrieb eines gemeinnützigen, mildtätigen Vereins weiterhin anerkannt werden könne. Außerdem wurde verlangt, dass für die Dienstleistungen aller Art nicht mehr wie bisher 7% Umsatzsteuer abzuführen seien, sondern 19 %. Und das nicht nur für die Zukunft, sondern auch rückwirkend bis 2001.

Es wurde damit begründet, dass der Verein mit seiner Tätigkeit mit der örtlichen Wirtschaft in Konkurrenz trete.

Diese Neubewertung des Bereichs „Dienstleistungen aller Art“ teilte der Verein nicht.

Denn bei der Einrichtung dieses Bereichs wurde er auf ausdrücklichen Vorschlag des damaligen Steuerberaters und mit Zustimmung des Finanzamtes als Zweckbetrieb eingerichtet. Auf Vorschlag des Sozialministeriums und mit seiner Hilfe wurde ein lokaler Konsens mit der örtlichen Wirtschaft hergestellt, dass sie die Arbeit des Vereins unterstützen und nicht als schädliche Konkurrenz ansehen.

Es wurden mit Hilfe des Diakonischen Werkes Gespräche geführt und auch sicherheitshalber eine Klage eingereicht. Im Laufe der Gespräche zeichnete sich ein Kompromiss ab: Der Verein akzeptierte die 19 % Umsatzsteuer für die Zukunft, wenn damit der gemeinnützige, mildtätige Zweckbetrieb erhalten bleiben könnte. Er war bereit, auch die Differenz zwischen 7 %, die eingenommen und auch abgeführt wurden, und 19%, die nicht vom Kunden gefordert und entsprechend auch nicht gezahlt waren, ab 2007 nachzuzahlen.

Im Frühjahr 2009 wurde mit dem Finanzamt Itzehoe folgendes verabredet:

Der Verein zahlt die Umsatzsteuerdifferenz ab 2007 nach, eine Summe von 14000 €, nimmt alle Klagen und Widersprüche zurück und legt die Unterlagen für die turnusmäßige Körperschaftsteuerüberprüfung der Jahre 2006 bis 2008 vor.

Das Finanzamt wird dann den Erlass der Streuernachforderungen von 2001 bis 2006 nebst Zinsen und Gebühren prüfen und den Bereich „Dienstleistungen aller Art“ als Zweckbetrieb anerkennen.

Kaum hatte der Verein seine Klage vor dem Finanzgericht zurückgenommen, erhielten alle sechs Vorstandsmitglieder einen persönlichen Haftungsbescheid über die gesamte Summe, die das Finanzamt vom Verein als Nachforderung seit 2001 forderte. Damals eine Summe von knapp 70000 € mit der Begründung, die Vorstandsmitglieder hätten grob fahrlässig gehandelt, indem sie nicht dem Finanzamt das geforderte Geld (die Nachforderungen) gezahlt hätten, sondern weiterhin „Milde Gaben“ verteilt.

Obwohl auf Nachfrage, was dieses soll, geantwortet wurde, es handele sich nur um einen Maßnahme zur Sicherung von Ansprüchen, falls es mit dem Vergleich nicht klappen würde, wurde beim Vereinsvorstand Misstrauen wach.

Deswegen wurde der Petitionsausschuss des S-H Landtages eingeschaltet. Es wurde darüber Beschwerde geführt, dass der Vorstand persönlich in Haftung genommen werden sollte.

Der Verein brachte aber dennoch die verabredete Summe von 14000 € durch Aufnahme eines Kleinbürgschaftskredites zusammen und überwies die Summe ans Finanzamt. Auch die Vereinsunterlagen für die Jahre 2006 bis 2008 zur Überprüfung der Gemeinnützigkeit wurden eingereicht.

Als Anfang Dezember 2009 alles aus dem Vergleichsgespräch erfüllt schien, was der Verein übernommen hatte, erwartete er auch nun den Teil, den das Finanzamt in Aussicht gestellt hatte.

Aber das Gegenteil geschah: Das Finanzamt verlangte noch mehr Steuernachzahlungen und hob die Gemeinnützigkeit bis 2001 rückwirkend auf. Wie der Verein heute weiß, geschah das auf Weisung des Finanzministeriums in Kiel.

Daraufhin bat die Petentin Irmgard Jasker den Petitionsausschuss dringend um ein gemeinsames Gespräch mit dem Finanzministerium und dem Finanzamt Itzehoe.

Das Ergebnis war aber für den Vorstand trotz intensiver Bemühungen von Vorstandsmitgliedern nicht umsetzbar, weil ohne Gemeinnützigkeit und die Arbeit von Pastor Hans-Günter Werner die Arbeit nicht fortgesetzt werden kann und auch das geforderte Geld nicht reinkäme.

Deshalb wurde der Insolvenzantrag gestellt und der Schritt an die Öffentlichkeit getan.

Folgen

Wenn keine Hilfe kommt, bedeutet das:

Mit der Schließung des Vereins verlieren viele Menschen ihren Treffpunkt, ihre Anlaufstelle mit Hilfe und Beratung.

Menschen, die ohnehin kaum Geld zum Leben haben und aus dem gesellschaftlichen Kontext ausgeschlossen sind, verlieren ihre einzige Möglichkeit, sich mit ihren Fähigkeiten einzubringen und mit Würde etwas zur Existenz des Vereins und zur Alltagsbewältigung beizutragen. Es bleiben dann eigentlich nur noch Schwarzarbeit oder andere illegale Auswege.

Ferner sehen sich alle Vorstandsmitglieder durch die persönliche Haftung bedroht.

Bitten, Wünsche Forderungen

Jetzt kann nur noch die Öffentlichkeit und insbesondere die Landespolitik helfen.

Der Verein wird vom DGB und von der Nordelbischen Kirche unterstützt. Aber auch Bürgermeister von Wedel und den im Rat vertretenen Parteien erhofft sich der Verein Unterstützung.

Damit der Verein seine segensreiche Tätigkeit in Wedel fortführen kann, ist folgendes notwendig:

Das Selbsthilfekonzept, gerade im Bereich „Dienstleistungen aller Art“, muss von allen einschlägigen Behörden anerkannt werden.

Der Bereich „Dienstleistungen aller Art“ ist ein gemeinnütziger, mildtätiger Zweckbetrieb. Er dient der niedrig schwelligen Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen und hilft den Flüchtlingen, die noch keine Arbeitserlaubnis haben, ihre Gesundheit und Arbeitsfähigkeit zu erhalten.

Die Zuwendungen, die so genannten „Milden Gaben“, sind Zuwendungen einer mildtätigen Selbsthilfeeinrichtung, die nicht als Einkommen gewertet werden. Das gilt auch dann, wenn die Personen, die Zuwendungen erhalten, vorher ehrenamtlich und unentgeltlich diese Mittel miterwirtschaftet haben. Sie erhalten keine Zuwendungen für die Arbeit, sondern weil sie arbeitslos oder bedürftig sind.

Die Steuernachforderungen, die sich aus der Differenz zwischen 7% und 16% bzw. 19% ergeben und bis heute nicht gezahlt wurden, werden erlassen.

Die Gemeinnützigkeit wird wieder zuerkannt.

Die Vorstandsmitglieder werden dementsprechend nicht mehr in Haftung genommen.