Interview mit Dr. Matthias Nitschke, Chefarzt für Neurologie anlässlich des “Tages des Schlaganfalls“. Nitschke hat in Pinneberg eine Spezialeinheit aufgebaut, um Patienten nach einem Schlaganfall behandeln zu können.

Kreis Pinneberg. Pinneberger Zeitung: Kann ich einem Schlaganfall vorbeugen?

Dr. Matthias Nitschke : Mit den bekannten Vorsichtsmaßnahmen, die für eine Reduzierung des Gefäßrisikos sinnvoll sind. Dazu gehören Nikotinverzicht, eine ausgewogene Ernährung und Sport sowie die Kontrolle von Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Diabetes.

Wie erkenne ich einen Schlaganfall?

Nitschke : Ein Schlaganfall kann in vielfältiger Weise auftreten. Klassische Symptome sind plötzlich auftretende Ausfälle von Gehirnfunktionen, die zu Sprach- oder Sprechstörungen, Sehstörungen, akuter „Verwirrung“ oder zu der Unfähigkeit führen, leicht zu erledigende Aufgaben sinnvoll abzuarbeiten. Weitere Anzeichen können Lähmungen oder das Taubheitsgefühl einer Körperseite, Schwindel oder das Wegkippen zu einer Seite sein.

Ist ein Schlaganfall wirklich so einfach zu erkennen, dass der Betroffene nicht lächeln kann, keine einfachen Sätze spricht, höchstens teilweise die Arme heben und die Zunge sich krümmt und wendet, wenn der Betroffene versucht, sie aus dem Mund zu strecken?

Nitschke : Ganz so einfach nicht, da das Bild wie angedeutet auch komplexer oder „versteckt“ auftreten kann. Aber für den Laien sind die oben beschriebenen Ausfälle zumindest hilfreich, um einen möglichen Schlaganfall zu erkennen.

Was muss ich machen, wenn ich einen Schlaganfall miterlebe?

Nitschke : 112 wählen!!! Auch dann und insbesondere wenn die Symptomatik wieder schnell rückläufig ist, wie bei einer so genannten TIA (transitorische ischämische Attacke). In dem Fall sollte man unbedingt den Grund für dieses Ereignis eruieren, um weitere Vorfälle zu verhindern. Ursache können beispielsweise Herzrhythmusstörungen oder verengte Gefäße sein

Was können die Regio-Kliniken leisten und wann ist eine Verlegung in eine spezialisierte Universitätsklinik notwendig?

Nitschke : Im Klinikum Pinneberg gibt es in der Abteilung für Neurologie sechs moderne Stroke-unit-Betten und einen über 24 Stunden anwesenden neurologischen Dienst. Damit sind Tag und Nacht CT-Aufnahmen vom Gehirn und therapeutische Lyse, also das Lösen des Blutgerinnsels, jederzeit möglich. In Elmshorn werden ebenfalls zwei Schlaganfall-Betten auf der Intensivstation der Inneren Medizin vorgehalten, die wir in Kooperation mit den Kollegen betreuen. Im Falle eines akut notwendigen operativen Eingriffs, beispielsweise bei einer großen Blutung, besteht eine schnelle und direkte Zusammenarbeit mit den benachbarten neurochirurgischen Kliniken.

Wie verhalte ich mich als Angehöriger?

Nitschke : Auf jeden Fall 112 wählen!

Worauf sollte ich als Betroffener bei der Reha achten?

Nitschke : Ein gutes Angebot an Krankengymnastik, Logopädie und Ergotherapie ist wichtig.

Welche Selbsthilfegruppen gibt es im Kreis Pinneberg?

Nitschke : Über die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe lassen sich gute Informationen über lokale Selbsthilfegruppen gewinnen

Gibt es Zahlen über die Häufigkeit des Schlaganfalls (Pinneberg/Bundesweit)?

Nitschke : Die Statistik geht von 200 (100-300) Schlaganfälle je 100.000 Einwohner aus. Das kommt für den Kreis Pinneberg auch ganz gut hin.

Und es sollen immer mehr Kinder einen Schlaganfall erleiden? Stimmt das? gibt es Zahlen? Sind die Symptome anders als bei Erwachsenen. Und wie ist der Krankheitsverlauf?

Nitschke : Diese Berichte gibt es. Mögliche Gründe, soweit wir sie bereits kennen, sind vermehrt auftretende Risikofaktoren wie Fettleibigkeit und Bluthochdruck. Aber auch die moderne hochspezifische Diagnostik verbessert den Nachweis eines Schlaganfalls, so dass einfach mehr Fälle auch im jungen Alter bekannt werden.

Die Prognose für Kinder ist insgesamt deutlich besser, da das Gehirn in dieser Altersspanne noch über plastische Fähigkeiten verfügt. Das bedeutet, dass anfangs durch die Krankheit ausgefallene Funktionen sich im Laufe der Zeit durchaus wieder erholen können. Diese Fähigkeit geht im Alter leider verloren.