Hamburg. Soziale Einrichtungen der Metropolregion erhalten Lebensmittelgutscheine vom Abendblatt-Verein – für die Empfänger oft ein Segen.

Es war ein spontaner Entschluss nach den Schulferien im März. Mirek Havlik wollte nicht nur seine Schüler online mit Schulstoff versorgen, sondern in den Stunden danach auch alten Menschen Lebensmittel bringen, damit sie nicht wegen der Coronagefahr einkaufen gehen müssen. „Ich gehöre als junger Mann nicht zur Risikogruppe und deswegen wollte ich etwas ehrenamtlich in meinem Stadtteil tun“, sagt der 30-Jährige. Er wohnt in Hamburg-Sülldorf und bot sich bei der Stadtteildiakonie Sülldorf-Iserbrook als Ehrenamtlicher an.

Deren Leiterin, Susanne Alms de Ocana, berät im Gemeindebüro der Martin-Luther-Kirche Menschen, die in Existenznot sind, und organisiert eine wöchentliche Lebensmittelausgabe. Dort werden an Bedürftige neben den Waren von der Hamburger Tafel, derzeit auch die Lebensmittelgutscheine des Vereins „Hamburger Abendblatt hilft“ verteilt.

Corona-Spendenaktion: Lebensmittelgutscheine für Bedürftige

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    Der Abendblatt-Verein kauft seit Ende März von Spendengeldern Lebensmittelgutscheine im Wert von je 25 Euro bei fast allen großen Handelsketten und reicht diese an gemeinnützige Institutionen in allen Stadtteilen weiter: an Tafeln, Frauenhäuser, Jugendhilfe-Vereine, Suppenküchen und große Hilfswerke wie Caritas, Diakonie, DRK und Heilsarmee sowie an Kirchengemeinden von Sasel bis Steilshoop. Die Einrichtungen verteilen die Gutscheine an die Bedürftigen.

    Der Lehrer kauft für eine alleinerziehende, kranke Mutter ein

    „Frau Alms de Ocana hat mir die Adresse einer alleinerziehenden Mutter mit vier Kindern gegeben. Sie sind alle an Corona erkrankt und dürfen nicht aus der Wohnung. Die Nachbarn haben Angst vor einer Ansteckung, deswegen war die Mutter sehr verzweifelt und ist sehr dankbar, dass ich nun für sie einkaufe“, erzählt der junge Physik- und Mathelehrer. Er nimmt dafür die Gutscheine – „das ist sehr praktisch“. Die Einkaufsliste bekommt er per WhatsApp, die Waren stellt er vor der Tür der Familie ab. „Das geht alles völlig kontaktlos“, sagt er.

    Die Mutter benötige neben Toilettenpapier vor allem frische Lebensmittel. „Sie möchte viel Obst und Gemüse. Kürzlich stand ein Hühnchen auf der Liste, denn sie wollte für sich und die Kinder eine Hühnersuppe kochen. Die hilft ja, wenn man krank ist“, sagt Havlik, der zudem Senioren, Lebensmittel vorbeibringt. Für Susanne Alms de Ocana ist die Hilfe von jungen Ehrenamtlichen wie Mirek Havlik ein Segen, „denn viele unserer Freiwilligen gehören selber zur Risikogruppe, die setze ich derzeit nicht so gern ein.“

    Eine ideale Ergänzung zur Hamburger Tafel

    Mit einem Lächeln im Gesicht fischt die 53-Jährige einen mit Blumen bemalten Brief aus dem Büro-Briefkasten. „Ich möchte mich bei Ihnen bedanken für den Gutschein. Ich habe mich so sehr gefreut, dass ich anfing zu weinen“, steht auf dem Zettel in ordentlicher Handschrift. Solche Briefe und Anrufe mit ähnlichen Aussagen erhält Alms de Ocana seit ein paar Wochen häufiger.

    Denn die 25-Euro-Gutscheine seien eine ideale Ergänzung zur den Waren der Tafel, „die derzeit nur haltbare Lebensmittel, darunter Konserven mit Fertiggerichten, Würstchen, Nudeln oder auch mal Tee liefern kann. Aber die Familien möchten ja auch frische Sachen kaufen und selber kochen“, sagt Alms de Ocana.

    Julia Radojkovic von der Mobilen Bullysuppenküche verteilt seit zwei Wochen die Lebensmittelgutscheine an Obdachlose in der Innenstadt. „Die Reaktion auf den ersten Gutschein, den wir an einen Wohnungslosen ausgeben haben, war sehr berührend, weil er für den Empfänger so unerwartet kam“, erzählte die Vereinsvorsitzende.

    Die Freiheit, das zu kaufen, auf was man Lust hat

    „Ich sagte zu ihm, mit diesem Gutschein kannst du dir für 25 Euro kaufen, was du möchtest. Und er sagte, wirklich alles, was ich will? Seine Freude war fast kindlich, als wenn er das erste Mal bares Geld in die Hand bekommnen hätte.

    Doch genau darum geht es: Um die Freiheit, das zu kaufen, was man möchte.“ Die Gutscheine seien für viele ein unverhoffter Lichtblick in dieser Krise, dessen Ende sie nicht abschätzen können und die sie mürbe machen würde, sagt Julia Radojkovic.

    Viele Freischaffende sind plötzlich in finanzieller Not

    Auch Ulfert Sterz fragt jede Woche beim Abendblatt-Verein um weitere 200 Gutscheine an. Er ist Pastor in St. Georg-Borgfelde und sucht die Empfänger der Gutscheine sehr sorgfältig aus. Er verteile zuerst an bedürftige Familien, die er kenne. Vielfach verschicke er die Scheine per Post, weil Menschen, die immer gearbeitet hätten, Scham beim Erhalt der Gutscheine empfänden.

    „Aber die anderen, die sie direkt von uns empfangen, sind sehr glücklich darüber. Im Stadtteil leben viele Freischaffende von Gastronomen, Honorar-Lehrer über Kulturschaffende, die plötzlich kein Einkommen mehr haben und derzeit schwer über die Runden kommen. Für uns und für sie sind die Gutscheine wie ein Segen. Die Menschen werden dadurch psychisch gestärkt, sie wissen, sie sind nicht alleine“, sagt der engagierte Pastor.

    Cornakrise: Ulfert Sterz ist Pastor in St. Georg und verteilt viele Gutscheine an Familien im Stadtteil, die noch nie zuvor Hilfe annehmen mussten.
    Cornakrise: Ulfert Sterz ist Pastor in St. Georg und verteilt viele Gutscheine an Familien im Stadtteil, die noch nie zuvor Hilfe annehmen mussten. © Sebastian Becht | Sebastian Becht

    Annika Hetzel und Silke Resche betreuen den Frauen- und Mädchentreff Hohenhorst im Bezirk Wandsbek. Sie beraten Alleinerziehende, geben Erziehungshilfe und organisieren Freizeitangebote für die Frauen und ihre Kinder.

    Den Kindern fehlt das freie Schulessen

    „Unsere 15 Gutscheine verteilen wir an die Frauen mit Kindern, die wir hier auch regulär betreuen. Die meisten bekommen Sozialhilfe und müssen mit sehr wenig Geld auskommen.

    Viele wohnen zudem sehr beengt, mit vielen Personen in einer Wohnung. Viele wirken verängstigt durch Corona und sehr hilflos. Den Kindern fehlt Bewegung und das kostenlose Schulmittagessen“, sagt Annika Hetzel.

    Die Gutscheine seien für die Frauen eine Erleichterung, wie ein unverhofftes Geschenk, mit dem sie, ohne bedürftig zu wirken, einfach einkaufen könnten.

    Ein Vater hüpfte vor Freude über den Gutschein auf und ab

    Maren Schamp-Wiebe vom Schulverein der Fridtjof-Nansen-Schule in Lurup bittet auch um weitere Gutscheine: „Denn nach den vielen Hausbesuchen kamen wir Lehrer ganz bedrückt zurück. Einige Eltern deuteten ihre finanziellen Sorgen nur an, andere sagten rundheraus, dass sie nicht wüssten, wie es bis zum Ende des Monats weitergehen solle. Es war sehr tröstlich, dass wir ihnen mit einem Lebensmittelgutschein wenigstens eine kleine Last abnehmen konnten. Ein Vater mit sechs Kindern, drei sind auf unserer Schule, der gestern einen weiteren Gutschein erhielt, hüpfte mit seinem Sohn vor lauter Freude auf dem Bürgersteig“, schrieb Schamp-Wiebe.

    So funktioniert die Spendenaktion:

    So kann ich für Lebensmittelgutscheine spenden:

    Konto „Von Mensch zu Mensch“, IBAN: DE03 2005 0550 1280 2020 01, Haspa, Stichwort: Coronahilfe

    Spende auch möglich direkt über Paypal unter https://www.abendblatt.de/kinder-helfen-kindern/spenden/

    So komme ich an die Lebensmittelgutscheine:

    Keine Einzelpersonen, sondern nur gemeinnützige soziale Initiativen können sich um 25-Euro-Gutscheine bewerben. Sie schreiben mit dem Stichwort: Coronahilfe eine E-Mail an mensch@abendblatt.de. Bitte schreiben Sie, wie viele Gutscheine Sie benötigen und dass Sie Menschen, die in finanzieller Not sind, helfen werden. Wir benötigen als Abendblatt-Verein eine Spendenbescheinigung.

    Infos unter Tel. (040) 55 44 711 56 oder -59 und www.abendblatt-hilft.de