Keine Frage, Pippi Langstrumpf würde sich in Duvenstedt wohlfühlen, denn in der grünen Idylle hoch im Norden der Hansestadt, ist das Leben sozusagen noch ein Ponyhof - vor allem für Kinder, von denen es reichlich im Stadtteil gibt: Jeder Vierte der 6220 Duvenstedter ist jünger als 18 Jahre.
Dass kurz vor der Grenze zu Schleswig-Holstein seit 1949 die Geschichten der rot bezopften Heldin vom Oetinger Verlag an der Poppenbütteler Chaussee verlegt werden, ist dem guten Riecher von Verleger Friedrich Oetinger zu verdanken: Er hatte beherzt zugegriffen, als von einer schwedischen Autorin namens Astrid Lindgren noch kein anderer Verlag etwas wissen wollte.
Größte Grundschule in den Walddörfern
Wer frühmorgens mit dem Auto zur Arbeit "in die Stadt" fährt, sollte tunlichst aufpassen: Aus den schmucken Doppel-, Reihen- und Einfamilienhäusern in den Neubaugebieten etwa entlang des Trilluper Wegs und des Specksaalredders strömen Kinder scharenweise zur Grundschule, die mit mehr als 400 Schülern die größte in den Walddörfern ist. Die älteren Schüler radeln zu einer der weiterführenden Schulen in der Gegend - nach Poppenbüttel, Sasel, Buckhorn, Volksdorf oder Ohlstedt. Oder sie eilen im Laufschritt zur nächstgelegenen Bushaltestelle.
Nach Schulschluss geht's dann erst richtig los: Die Mädchen fahren - häufig mit Reitkappen behelmt - zum nächsten Ponyhof (!), die Jungs sind mit Tennisschlägern unterm Arm oder geschnürten Fußballschuhen unterwegs. Und wer keinen Sport treibt, der ist in der kirchlichen Jugendarbeit, bei den Pfadfindern im Dorf, im Blasorchester oder in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Oder aber er geht ins Max-Kramp-Haus, das Kulturzentrum Duvenstedts, das allen Bürgern offen steht und das außer einem Kindergarten und einer Hortgruppe auch den Jugendtreff beherbergt.
Theater, Kochen, Sport im Jugendtreff
Seit 2005 wird die Jugendarbeit von der Vereinigung Pestalozzi gemanagt. "Zu uns kommen die Jugendlichen, die ein bisschen alternativer drauf sind und für die Feuerwehr oder Blasorchester nicht das Richtige ist", sagt Claudia Ochs, die Leiterin der Einrichtung. Vier Tage in der Woche hat der Jugendtreff von 15 Uhr an bis in den Abend geöffnet. Theater- und Musikprojekte, Kochen, Fahrradwerkstatt, sportliche Aktivitäten und vieles mehr haben Ochs und ihre Crew im Angebot. Doch das könnte, ja müsste, wenn es nach Claudia Ochs ginge, noch umfangreicher sein: "Natürlich ist Duvenstedt ein privilegierter Stadtteil, doch auch hier haben die Kinder und Jugendlichen ihre Probleme." Das nicht immer einfache Zusammenleben in Patchwork-Familien, von denen es auch in Duvenstedt immer mehr gibt, sei beispielsweise so ein Problem.
Erst vor wenigen Jahren ging es hoch her im Dorf. Engagierte Eltern hatten damals im Max-Kramp-Haus eine Jugenddisco initiiert. Mit Erfolg: Aus allen Ecken und Enden der Stadt kamen junge Leute nach Duvenstedt, um hier zu feiern. Doch es gab mächtig Ärger, als alkoholisierte Jugendliche durch den Stadtteil zogen und den einen oder anderen Vorgarten verwüsteten. Die Stimmung im Dorf kippte, Krisensitzungen wurden einberufen, die Disco eingestellt. Mittlerweile hat sich die Lage zwar längst beruhigt, doch Claudia Ochs glaubt, das könne auch die Ruhe vor dem Sturm sein.
Dörfliche Struktur bewahrt
Verständnis und Unterstützung gibt es von einem Duvenstedter Oldie: Hans-Hinrich Jürjens, Bauingenieur und Architekt, ist in Duvenstedt so bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. "Hinni" war bis vor Kurzem Vorsitzender der Vereinigung Duvenstedt, die sich seit 50 Jahren für die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner - vor allem für die der Kinder und Jugendlichen im Ort - einsetzt. Und Jürjens war von Anfang an dabei.
Ohne die Vereinigung, der auch das Max-Kramp-Haus gehört, geht in Duvenstedt nichts. Keine Feier, kein Projekt, bei dem "Hinni" und seine zahlreichen engagierten Mitstreiter und Mitstreiterinnen nicht ihre Finger im Spiel haben. Als im Herbst 2011 der 750. Geburtstag Duvenstedts gefeiert wurde, hat - natürlich - die Vereinigung Duvenstedt die fällige Geburtstagssause auf die Beine gestellt. Zehn Tage lang wurde gefeiert, und alle haben mitgemacht - vom Amateurtheater bis zum Duvenstedter Sportverein.
Menschen wie "Hinni" Jürjens ist es zu verdanken, dass sich Duvenstedt trotz des enormen Bevölkerungswachstums in den vergangenen Jahren seine dörfliche Struktur bewahrt hat und eine außergewöhnlich reichhaltige Stadtteilkultur besitzt. In Duvenstedt geht es immer noch sehr bodenständig und familiär zu - die Gefahr, zum reinen Schlafquartier zu mutieren, besteht jedenfalls nicht.
Widerstand gegen neue Baugebiete
Und damit das auch so bleibt, machen sich die Duvenstedter sehr viele Gedanken über die Zukunft ihres grünen Stadtteils: Der Ausbau des viel zu schmalen und maroden Radwegs entlang der Poppenbütteler Chaussee Richtung Lemsahl-Mellingstedt ist beispielsweise so ein Zukunftsprojekt, das unbedingt in die Tat umgesetzt werden müsste.
Und dann natürlich das Thema Bebauung: Die Einwohnerzahl Duvenstedts hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Wobei nicht alle Alteingesessenen von den vermeintlich großen Wohnblocks, die in Wahrheit nicht mehr als drei, vier Stockwerke haben, begeistert sind. So manches alte Bauernhaus ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aus dem Dorfbild verschwunden, zuletzt wurde das historische Reetdachhaus am Specksaalredder gegenüber dem Restaurant Zur Kastanie in einen Haufen Bauschutt verwandelt.
Dass Baulücken im Dorf geschlossen werden, das findet auch Architekt Jürjens in Ordnung, doch dass weitere große Baugebiete in Duvenstedt ausgewiesen werden, damit müsse erst einmal Schluss sein.
Und auch das unterscheidet Duvenstedt von anderen Stadtteilen in den Walddörfern: Im Ort hat sich Gewerbe angesiedelt, dessen Interessen seit 2004 von "Duvenstedt Aktiv!", mittlerweile eine der größten Stadtteilinitiativen Hamburgs, vertreten werden. Quasi aus dem Stand heraus wurden unterschiedliche Aktivitäten erfolgreich realisiert wie beispielsweise die Duvenstedter Sonntagsmeile, das Duvenstedter Lichtermeer, das Duvenstedter Kinderfest und das gemeinsame Tannenbaumschmücken mit der Feuerwehr.
+++ Der Stadtteil-Pate: Frank Schulze +++
Joanna Dahl aus Barmbek, die in Duvenstedt aufgewachsen ist und zurzeit bei Claudia Ochs im Jugendtreff ein Praktikum absolviert, bringt das Lebensgefühl vieler Duvenstedter - besonders der jüngeren - auf den Punkt: "Natürlich kann man auch woanders gut leben. Doch irgendwann werde ich wieder zurück nach Duvenstedt kommen, denn hier ist es einfach besonders schön!"
Pippi Langstrumpf würde ihr bestimmt nicht widersprechen.
In der nächsten Folge am 30.6.: Rotherbaum
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