Prozess in Hamburg

Kosmetikbehandlung missglückt: Richterin erlässt Strafbefehl

| Lesedauer: 4 Minuten
Bettina Mittelacher
Anja H. geht nach dem Prozesstag aus dem Saal des Amtsgerichts Wandsbek: Die heute 55-Jährige sah nach der misslungenen Schönheitsbehandlung nach eigener Aussage „aus wie Frankensteins Gesellenstück“.

Anja H. geht nach dem Prozesstag aus dem Saal des Amtsgerichts Wandsbek: Die heute 55-Jährige sah nach der misslungenen Schönheitsbehandlung nach eigener Aussage „aus wie Frankensteins Gesellenstück“.

Foto: Christian Charisius / dpa

Einer Heilpraktikerin wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Zum Prozess erscheint sie nicht. Die Justiz verliert die Geduld.

Hamburg. „Ich war entsetzt!“ Dreieinhalb Jahre liegt die kosmetische Behandlung, die Anja H. hat vornehmen lassen, nun zurück. Und noch immer erinnert sie sich mit Schaudern an das Ergebnis. Die heute 55-Jährige hatte jünger aussehen wollen, mit weniger Falten. Und nun das: Sie hatte mehrere subkutane Abszesse im Gesicht, Pusteln überall.

So konnte das nicht bleiben, entschied sie. Dreimal habe sie operiert werden müssen, um den Schaden zu beheben, erzählt die Frau. „Dreimal innerhalb von fünf Wochen, und jedes Mal unter Vollnarkose!“

Heilpraktikerin soll missglückte Schönheitsbehandlung zugelassen haben

Anja H. ist jetzt aus ihrem Heimatort in Nordfriesland nach Hamburg-Wandsbek gereist, wo sie eigentlich auf die Frau hatte treffen wollen, die für die missglückte Behandlung verantwortlich sein soll. Es ist Hanna M., Heilpraktikerin, die wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht angeklagt ist. Die Staatsanwaltschaft wirft der 49-Jährigen vor, am 27. Mai 2018 zugelassen zu haben, dass Kosmetikschüler eine Behandlung an Anja H. vornehmen.

Dabei ging der Anklage zufolge einiges schief. Die nicht ausreichend ausgebildeten Schützlinge hätten bei der Frau eine Hyaluronsäurebehandlung zur Gesichtsfalten-Unterspritzung durchgeführt, ohne dass Anja H. zuvor über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt wurde, heißt es. Die Behandlung selbst wurde fehlerhaft durchgeführt, so die Vorwürfe weiter.

Anja H. musste dreimal operiert werden

Insbesondere seien weder Nadeln noch das Gesicht der Geschädigten desinfiziert worden. In der Folge habe die 55-Jährige mehrere subkutane Abszesse entwickelt. Und dann kamen die drei operativen Eingriffe, jeweils stationär in einer Klinik.

Schon dreimal ist dieser Prozess gegen Hanna M. um die missglückte Verschönerung zuvor vor dem Amtsgericht terminiert worden. Dreimal wurde er abgesagt, unter anderem im März 2020 wegen Corona, und später, weil die Angeklagte sich krankmeldete. Jetzt, an diesem Donnerstag, war der vierte Versuch, das Verfahren vor Gericht durchzuführen.

Angeklagte Hanna M. erscheint nicht zum Gerichtstermin

Doch erneut erschien die Angeklagte nicht. Seine Mandantin sei „noch in Bielefeld“, sagte der Verteidiger von Hanna M. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem sie eigentlich längst auf der Anklagebank hätte sitzen sollen. Am Morgen hatte Hanna M. im Gericht angerufen und mitgeteilt, sie könne nicht erscheinen, weil sie Erkältungssymptome und Kopfschmerzen habe. Sie habe den Verdacht, sie sei Corona-positiv, und habe auch Kontakt mit einer infizierten Person gehabt.

Doch eine solche Behauptung ohne Nachweis ließ die Richterin nicht gelten. Der Termin bleibe aufrecht, ließ sie der 49-Jährigen mitteilen. Es sei denn, die Angeklagte lege ein Attest vor, eine behördliche Quarantäne-Anordnung oder einen positiven Test. Doch davon ließ sich Hanna M. offenbar nicht beeindrucken. Sie könne schlicht nicht anreisen, erklärte sie.

Richterin erlässt Haft auf Bewährung per Strafbefehl

Nun ist die Geduld der Juristen zu Ende. Der Staatsanwalt beantragt einen Strafbefehl gegen Hanna M. Sie solle wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt werden. Ein solcher Strafbefehl, also ein Urteil ohne Hauptverhandlung, wird nun von der Richterin erlassen. Eine Woche hat Hanna M. Zeit, gegen die Entscheidung Einspruch einzulegen. Tut sie das nicht, wird das Urteil rechtskräftig.

Als Anja H. erfährt, dass der Prozess nicht stattfindet und sie vergeblich angereist ist, reagiert sie irritiert. „Huch!“, entfährt es der Frau. Die 55-Jährige hat sich schick gemacht, ganz in Anthrazit gekleidet und mit hochgestecktem Haar. Was um die Corona-Maske herum von ihrem Gesicht zu sehen ist, sieht gut aus, keine Spuren von einer missglückten Falten-Behandlung. „Nicht mehr!“, erzählt Anja H. Mittlerweile seien die Spuren verheilt.

Direkt nach der angeblichen Schönheitsbehandlung war sie regelrecht erschüttert über ihr Aussehen, erzählte sie mehreren Medien. „Ich sah aus wie Frankensteins Gesellenstück.“

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