Plädoyers im Prozess um Tonndorfer Busunfall mit zwei Toten und 23 Verletzten: Verteidiger verlangt Freispruch. Urteil am 18. September erwartet.

Neustadt. Das tonnenschwere Feuerwehrauto war auf dem Weg zu einem Fahrstuhlbrand in Steilshoop und krachte auf der Stein-Hardenberg-Straße mit mehr als 40 km/h in den voll besetzten Linienbus. Eine 62-Jährige wurde hinausgeschleudert, von dem Bus erfasst und mitgeschleift. Sie war sofort tot. Auch für einen Rentner, 78, kam jede Hilfe zu spät. 23 Businsassen, darunter auch Kinder, wurden zum Teil schwer verletzt. Der Aufprall war so heftig, dass der Bus der Linie 9 erst in einem Vorgarten zum Stehen kam.

Der 6. Juli 2011 war ein schwarzer Tag für Tonndorf - der Tag des schwersten Busunfalls in der HVV-Geschichte. Eine Tragödie auch, weil ein Mann laut Anklage den Unfall verschuldet hat, der darauf geschult ist, unter Einsatz seines Lebens Leben zu retten: Feuerwehrmann André K., Fahrer des Löschfahrzeugs. Für ihn hat die Staatsanwältin am Freitag wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von acht Monaten gefordert.

Zeugen hatten dem Gericht unter Tränen geschildert, wie sie den Unfall erlebten. Wie urplötzlich "von links etwas Rotes" angeschossen kam. Andere nahmen "nur einen Schatten" wahr. Die meisten Businsassen sagten aus, sie hätten noch nicht einmal eine ganze Tonfolge des Martinshorns gehört, "und da knallte es schon". Für die Staatsanwältin steht daher fest: Der 28-jährige André K. hat das Martinshorn zu spät eingeschaltet und damit seine Sorgfaltspflicht verletzt.

Dem Busfahrer sei keine Zeit geblieben, um zu reagieren. Zudem sei er zu schnell auf die rote Ampel zugefahren. "Hätte er 70 Meter zuvor das Martinshorn angeschaltet, wären dem Busfahrer ausreichende vier Sekunden Reaktionszeit geblieben", sagte die Staatsanwältin in ihrem Schlussvortrag. Für André K. spreche aber, dass er Erste Hilfe geleistet habe, obwohl er selbst unter Schock stand und verletzt war. Noch heute traue er sich nicht hinter das Steuer eines Einsatzfahrzeugs. Undenkbar, dass am Ende etwas anderes als ein Freispruch herauskomme, sagte indes sein Verteidiger Harald Roeske.

Nicht André K., sondern Busfahrer Ahmet T. habe sich falsch verhalten. Es sei unverständlich, dass die Anklage gegen ihn fallen gelassen worden sei. Ahmet T. habe das mit Blaulicht nahende Löschfahrzeug gesehen und sei trotzdem auf die Kreuzung gefahren. Viel wichtiger als das Hören des Martinshorns sei die Sichtbarkeit der Rettungsfahrzeuge. Und das grellrot lackierte Löschfahrzeug zu übersehen sei "schlicht unmöglich", sagte Roeske.

Zudem hatte ein Fahrgast - Busfahrer aus Berlin - ausgesagt: Ahmet T. sei gefahren "wie eine Sau". Roeske: "Der Unfall hätte vermieden werden können, wenn der Busfahrer nicht angefahren wäre, wenn er bloß die Bremse angetippt hätte." Leider sei offen, ob eine Verspätung "Grund für sein selbstmörderisches Handeln" war. Aus der Sicht seines Mandanten André K. habe der Bus gestanden, das habe ihm signalisiert, dass der Busfahrer ihn durchlassen wollte. "Mein Mandant ist schicksalhaft in einen Unfall verwickelt worden, für den er nichts kann." Am 18. September fällt das Landgericht sein Urteil.