Omar R. soll seine Frau Majidi M. auf der Hochzeit ihrer Schwester erstochen haben. Jetzt sitzt er in Schweden in Auslieferungshaft.

Bramfeld/Njurunda. 5000 Einwohner zählt das Örtchen Njurunda vor den Toren von Sundsvall an der schwedischen Ostseeküste. Dort gibt es eine Kirchenruine, einen Eishockeyklub, Holzhäuser für Touristen und jede Menge Bäume. Es ist kein Ort, der jemals auf der Landkarte des Verbrechens aufgetaucht wäre. Ein friedliches Stückchen Erde. Doch im Februar fand genau hier, im beschaulichen Njurunda, ein Kriminalfall sein vorläufiges Ende, der im Juli 1996 in Hamburg ein Menschenleben kostete: Polizisten nahmen am 20. Februar den 55-jährigen Omar R. fest. Der Mann wurde seit dem 12. Juli 1996 von der Staatsanwaltschaft, der Mordkommission und Zielfahndern der Hamburger Polizei gesucht. An jenem Sommertag, da sind sich die Ermittler sicher, erstach er an der Haldesdorfer Straße in Bramfeld seine damals 23-jährige Frau - auf der Hochzeit ihrer Schwester. Eine Tat, die bei der Polizei als "Ehrenmord" eingestuft wurde. Denn das Opfer Majidi M. hatte sich von seinem Ehemann trennen wollen.

250 Gäste, zumeist Afghanen, hatten sich zur Hochzeitsfeier im music house versammelt, einem äußerlich eher schmucklosen Festsaal oberhalb eines Supermarktes. Wenige Minuten vor acht Uhr, so rekonstruierten Mordermittler die Szenerie später, rollte die Braut in einem blumengeschmückten Mercedes auf den Parkplatz. Begleitet von ihrer Schwester und der Mutter Maryed A., damals 46, stieg sie aus dem Auto. Die Hochzeitsgäste klatschten. Sie warfen Blütenblätter.

Dann erschien ein Gast, der nicht eingeladen war: Omar R., der von seiner jungen Frau, der Brautschwester, verlassen worden war. Wohl weil er sie wieder und wieder verprügelt hatte. Der ungebetene Gast trug ein Messer bei sich. Siebenmal stach er auf seine Frau ein, dann verletzte er auch die Mutter. Die Braut im grünen Kleid flüchtete wie viele andere Hochzeitsgäste in das music house - in dem die festliche Musik sofort gestoppt wurde. Sanitäter waren schnell vor Ort, doch das Leben des Opfers, das es gewagt hatte, gegen den Ehemann aufzubegehren, konnten sie nicht retten. Majidi M. starb neben dem blumengeschmückten Mercedes.

Omar R. verschwand in einem Auto mit Zwickauer Kennzeichen. Die Polizei suchte ihn in Zwickau und in München, stürmte das Zimmer einer Asylbewerber-Unterkunft, in dem sie ihn vermuteten. Doch dort traf man nur seinen Bruder an. Schließlich stellten die Ermittler die operativen Maßnahmen ein. Es gab Hinweise darauf, dass er sich nach Afghanistan abgesetzt hatte, während die Hinterbliebenen des Opfers in Hamburg laut damaligen Zeitungsberichten auf Blutrache sannen. Es hieß, Omar R. wolle seinerseits weitere Verwandte der Getöteten ermorden. Er plane zurückzukehren.

Bis zum Jahr 2002 sollte es dauern, ehe Bewegung in den Fall "Hochzeitsmord" kam. In der usbekischen Hauptstadt Taschkent suchte er laut Hamburger Staatsanwaltschaft das Büro des Uno-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) auf. Sein Name sei Musa Abdulrahman R., so gab er dort demnach an. Und dass er von nun an in Usbekistan bleiben wolle. Der in Hamburg gesuchte mutmaßliche Totschläger blieb, wurde aber offensichtlich enttarnt. Seine Vergangenheit konnte er mit dem Landes- und Namenswechsel nicht abschütteln. Die Fahnder blieben dran. Doch für eine Auslieferung reichte es nicht. Im Dezember 2011, so rekonstruierte die Staatsanwaltschaft, überstellte ihn das UNHCR nach Schweden - und damit in den Bereich, in dem das Schengener Abkommen die Auslieferung gesuchter Verdächtiger regelt. Omar R. reiste, das ermittelten Zielfahnder, im Land umher, bevor er im beschaulichen Njurunda offenbar mit dem Plan, sesshaft zu werden, Quartier bezog. In enger Kooperation mit Hamburger Ermittlern nahmen schwedische Polizisten ihn am 20. Februar fest. Ein Haftrichter in Sundsvall verfügte, dass der mutmaßliche Totschläger in Auslieferungshaft genommen werden solle.

Nach Informationen der Zeitung "Sundsvall Dagbladet" streitet der Inhaftierte ab, mit der Bluttat in Bramfeld etwas zu tun zu haben. Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers hält dies für eine Schutzbehauptung: "Ich gehe davon aus, dass er in Schweden sämtliche Rechtsmittel ausschöpfen wird, um seine Auslieferung zu verhindern. Doch früher oder später wird er sich in Hamburg vor Gericht verantworten müssen." Bis dahin sitzt er in Sundsvall hinter den sprichwörtlichen schwedischen Gardinen. Auf Verjährung darf er nicht hoffen: Die tritt bei einem besonders schweren Fall von Totschlag, als den die Staatsanwaltschaft den mutmaßlichen Mord aus verletzter Ehre einstuft, erst nach 30 Jahren ein.