Die Gelbstirn-Amazone liebt den Einkaufs-Treffpunkt Farmsen. Die Besitzerin Hildegard Schnabl sagt: “Mein Vogel ist ein geselliger Typ.“

Hamburg. Poldi weiß genau, was er will. Wenn ein Fremder ihn streicheln möchte, dann legt er den Kopf schief und sagt laut: "Nein!" Menschen, die er mag, begrüßt er lautstark. Und wenn er jemanden nicht so gut leiden kann, dann sagt er: "Geh weiter!"

Poldi ist kein kleiner Junge, sondern ein Vogel, genauer gesagt eine Gelbstirn-Amazone, eine Unterart der Eigentlichen Papageien.

Seit vielen Jahren ist Poldi die Attraktion des Einkaufs-Treffpunkts (EKT) am U-Bahnhof Farmsen. Wenn seine Halterin Hildegard Schnabl ihn auf ihrem Finger durch die Passagen trägt, drehen sich alle Kunden um. Poldi flötet und kreischt, singt und spricht. Er kann miauen wie eine Katze, bellen wie ein Hund - Hauptsache, er fällt auf. "Poldi ist ein Unterhaltungskünstler", sagt Hildegard Schnabl.

Angefangen hatte Poldis Zähmung vor 40 Jahren, als Schnabls inzwischen verstorbener Ehemann Josef den Vogel, dessen natürlicher Lebensraum in Südamerika liegt, aus einer deutschen Zucht aufnahm. Anfangs flatterte Poldi nur in der Wohnung herum und versuchte abzuhauen. Nachdem er sich an seine Halter gewöhnt hatte, wurde die Käfigtür ständig offen gelassen und das Tier mit in den Garten genommen. Papageien brauchen Beschäftigung, vor allem, wenn sie allein sind. "Er liebt Regen, dann rutscht er gern mit ausgebreiteten Flügeln über den Rasen", sagt Hildegard Schnabl.

Irgendwann nahm ihr Mann den Vogel auf einem Karren mit zum EKT. Auf dem Weg dahin grüßte Poldi jeden, der ihnen entgegenkam. Da wussten die Schnabls endgültig, dass ihr Vogel ein geselliger Typ ist. Danach ging es fast täglich zum EKT, der Papagei wurde zum Star. Seit dem Tod ihres Lebensgefährten fährt Hildegard Schnabl nur noch unregelmäßig dorthin, "dennoch treffe ich oft Eltern, die ihren Kindern erzählen, dass sie Poldi schon kannten, als sie selbst noch Kinder waren".

Auf dem Fahrrad, auf dem Frau Schnabl fährt, sitzt Poldi in einem Schutzkorb, seit er im vergangenen Jahr aus Angst vor einem Bussard geflüchtet war. In der Krone einer hohen Eiche hatte er sich versteckt und war nicht zur Rückkehr zu bewegen gewesen. Am nächsten Morgen fuhr Hildegard Schnabl so früh zu dem Baum, dass niemand auf der Straße unterwegs war. Poldi begrüßte sie mit einem lauten "Komm her!" Seitdem ist er nicht wieder ausgebrochen.

Gelbstirn-Amazonen wie Poldi, der 40 Jahre ist, können locker 65 Jahre alt werden, manche schaffen sogar 80 Jahre. Hildegard Schnabl ist jetzt 85 Jahre alt, sie weiß, dass sie nicht mehr ewig mit ihrem Papageien durch den Stadtteil fahren kann. Ihr einziger Sohn lebt in London und könnte dem quirligen Poldi kein Zuhause bieten.

Doch für Abhilfe ist schon gesorgt: "Meine Nichte wird sich auf jeden Fall um meinen Poldi kümmern, falls ich mal nicht mehr da bin", sagt Hildegard Schnabl.

Die Poldi-Fans im EKT Farmsen können also getrost aufatmen.