Seit zehn Jahren fördert die Patriotische Gesellschaft in Hamburg intensiv Kinder und Eltern – überwiegend mit Migrationshintergrund.

Gäbe es einen Preis für eine gelungene Integration, Familie Bustani würde ihn vermutlich gewinnen. Denn nach nur sieben Jahren in Deutschland kann die achtköpfige syrische Familie aus Aleppo mit zwei Ärzten, die an einer deutschen Uni studiert haben, zwei Informatikstudenten und einem guten Gymnasiasten punkten. Die Mutter, eine ehemalige Französischlehrerin, macht gerade eine Ausbildung zur Erzieherin, der Vater, ein ehemaliger Apotheker, sucht nun nach den absolvierten Deutschkursen eine Stelle als Apothekenhelfer. Einen großen Anteil an dieser Integrationsleistung hat Claudia Greiner, die als Projektleiterin des Diesterweg-Stipendiums Familie Bustani 2018 in ihr Stipendienprogramm aufgenommen hat.

„Claudia Greiner und ihr Team haben uns geholfen, neue Freunde und vor allem Orientierung in der Stadt zu finden. Wir haben alle wichtigen Plätze der Stadt, Museen und Theater über das Programm besucht und ich habe sehr viele Tipps von anderen Eltern erhalten. Ich wüsste nicht, wo wir ohne das Programm stehen würden“, sagt die Mutter, Fatima Adbat-Bustani in fließendem Deutsch.

Denn beim Diesterweg-Stipendium der Patriotischen Gesellschaft, das es seit rund zehn Jahren gibt, gibt es zwar immer einen Stipendiaten, der als Viertklässler aufgenommen wird, aber gleichzeitig wird die ganze Familie über drei Jahre mit unterstützt – durch Akademietage, an denen es in kulturelle Einrichtungen geht, Eltern-Kind-Treffen, Ferienfreizeiten, Ausflüge und Feste. Zudem gibt es ein Beratungsangebot für die Eltern rund um Schule, Erziehung und Alltagsthemen. Finanziert wird das Programm über verschiedene Stiftungen, soziale Institutionen sowie die Sozial- und Schulbehörden.

Die ganze Familie muss mitmachen

„Die potenziellen Stipendiaten müssen lernbegeistert sein und von der Klassenlehrerin empfohlen werden. Aber es muss auch die ganze Familie des Viertklässlers bereit sein, an unserem Programm teilzunehmen“, erklärt Greiner, die mit 14 Grundschulen in sozial schwachen Stadtteilen zusammenarbeitet. Das umfangreiche Stipendium bekommen die Familien, die einen hohen Hilfsbedarf haben. „Viele Kinder, enger Wohnraum, isoliert und geringes Freizeitverhalten“, fasst Greiner die Auswahlkriterien zusammen. Rund 95 Prozent der Stipendiaten kommen aus Familien mit Migrationshintergrund, die meisten aus dem afrikanischen, arabischen und osteuropäischen Raum – bisher wurden 509 Personen unterstützt.

Auf Familie Bustani trafen alle Kriterien zu. Denn als Fatima Adbat-Bustani und ihr Mann 2016 mit ihren zwei minderjährigen Kindern, dem späteren Stipendiaten Abdulaziz, damals sieben Jahre alt, und Rawan, damals 17, vor dem Krieg in Syrien nach Hamburg flohen, fühlten sie sich fremd, waren isoliert, „auch wenn ich unglaublich dankbar war, dass wir und unsere Kinder hier in Sicherheit waren“, sagt die Mutter (52).

Die drei älteren Kinder studierten schon in Hamburg

Die Familie kam im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland, ihre drei älteren Kinder hatten bereits einen Studienplatz erhalten, ein weiterer Sohn, Achmed, hat eine geistige Behinderung. Er arbeitet inzwischen in einer Werkstatt. „Auch Achmed durfte zu allen Diesterweg-Ausflügen mit, es gab sogar eine extra Betreuung für ihn“, erzählt seine Schwester Rawan, die Informatik an der Uni Hamburg studiert. Die 22-Jährige berichtet begeistert von Ausflügen, die sie mitgemacht hat, und einem dreiwöchigen Schulpraktikum, das sie direkt beim Diesterweg-Programm erhielt. „Da habe ich gelernt, wie wichtig den Deutschen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit ist“, sagt sie und lächelt Claudia Greiner an. Denn inzwischen hat Rawan als sogenannte Juleica (Jugendbegleiterin) schon etliche Male Diesterweg-Freizeiten und andere Stipendiaten betreut.

Ihr jüngster Bruder Abdulaziz hat durch die dreijährige Begleitung vor allem mehr Selbstbewusstsein und Sicherheit in der Schule bekommen – auch durch einen Paten, der sich intensiv um ihn alleine gekümmert hat, mit ihm im Kino und auf dem Weihnachtsmarkt war und so auf ganz eigene Art die deutsche Kultur vermittelt hat.

Intensive Betreuung auch während der Corona-Zeit

„Ich war gut in Mathe und Bio, aber konnte kaum Deutsch und dachte, ich komme niemals in der Schule voran, als meine Lehrerin mich für das Stipendium vorschlug“, erinnert sich der 14-Jährige, der inzwischen in die 8. Klasse auf das Kurt-Körber-Gymnasium geht. Er habe nicht nur neue Freunde gefunden, sondern sei auch das erste Mal im Museum und auf Ferienfreizeiten gewesen. „Ich bin richtig traurig, dass das Stipendium vorbei ist. Ich vermisse es sehr“, sagt er. Allerdings macht er noch bei anderen Programmen der Patriotischen Gesellschaft mit.

Ein Teil seiner Stipendienzeit fiel in die Corona-Phase. „Wir haben dann in den ersten Monaten der Pandemie 2020 unsere Schüler intensiv begleitet, jeden Tag gab es virtuelle Treffen, Unterricht, Fragerunden und auch Spiele“, berichtet Claudia Greiner, die selber ausgebildete Gymnasiallehrerin ist, in der Schulinspektion und Schulleitung gearbeitet hat und mit dem Diesterweg-Stipendium „alles, was ich zuvor an Kompetenzen erworben habe, hier mit einbringen kann“.

Claudia Greiner leitet das Diesterweg-Stipendium und Behestah Mahdizadah, engagierte Schwester einer Ex-Stipendiatin.
Claudia Greiner leitet das Diesterweg-Stipendium und Behestah Mahdizadah, engagierte Schwester einer Ex-Stipendiatin. © Sabine Tesche (FMG) | Sabine Tesche (FMG)

Sie fasziniere immer der Moment, wenn diese Menschen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen erstmals zusammenkommen, dann drei Jahre miteinander Zeit verbringen – „und dabei sichtbar die Toleranz, der Respekt füreinander wächst und die meisten, vor allem auch die Mütter unserer Stipendiaten, mit viel mehr Selbstbewusstsein und Orientierung im Alltag auseinandergehen“, sagt die 60-Jährige.

Manche Stipendiaten werden später Jugendgruppenleiter

Manche Stipendiaten und deren Geschwister bleiben dem Diesterweg-Programm jedoch erhalten – als Jugendgruppenbegleiter oder auch als Lehrer für den Aufbauunterricht, den die Stipendiatenkinder jede Woche zusätzlich in Deutsch, Mathe und Englisch erhalten können. So wie zum Beispiel die gebürtige Afghanin Behestah Mahdizadah, deren nun 20 Jahre alte Schwester Kreschma zum ersten Stipendiatenjahrgang 2012 gehörte und inzwischen Management an der Uni Bremen studiert. „Ich habe so vom Stipendium profitiert, dass ich mit dem Deutsch- und Mathe-Aufbauunterricht gern etwas an die jüngeren Schüler zurückgeben möchte. Die sind auch total motiviert und ehrgeizig wie ich damals auch“, sagt die 23-Jährige, die im siebten Semester Informatik-Ingenieurswesen an der Technischen Universität Harburg studiert.

Sie erinnert sich vor allem an die vielen Theater- und Museumsbesuche, an denen sie mit ihrer Familie teilgenommen hat. „Das kannte ich vorher nicht. Dadurch konnte ich mehr Zeit mit meinen Eltern verbringen. Vor allem meine Mutter hat viel Beratung erhalten und ich wurde bei den Bewerbungen für meine Stipendien unterstützt“, sagt Behestah Mahdizadah. So hatte sie sich während ihrer Schulzeit erfolgreich beim Stipendium „Grips gewinnt“ beworben und hat aktuell ein Begabtenstipendium. „Mir hat das Diesterweg-Stipendium auch als Geschwisterkind kulturelle Bildung, Mut und ein Bewusstsein für mein Leistungsvermögen gegeben. Ich habe als Jugendbegleiterin gelernt, mit Kindern umzugehen und Streit zu schlichten Und dabei sind Freundschaften fürs Leben entstanden“, sagt die junge Frau sichtlich dankbar.

Das Diesterweg-Stipendium benötigt Spenden. Infos: patriotische-gesellschaft.de/de/unsere-arbeit/bildung/diesterweg-stipendium/