Der AWO-Treffpunkt Oldenfelde hat einen digitalen CareTable. Ein Modellprojekt finanziert vom Hamburger Abendblatt-Verein

Mit dir spiele ich nicht mehr, wenn du mich immer rauswirfst!“, ruft Anke Bohnhoff empört und drückt auf das Display vor ihr. „Ha, eine Sechs, die Rache ist mein“, sagt die 80-Jährige im nächsten Moment und schiebt die virtuelle Spielfigur auf die ihrer Nachbarin Karin Maselkowski. Die insgesamt vier Frauen, die um einen Tisch stehen, lachen schallend. „Mensch ärgere dich nicht“ ist ein Renner im AWO-Seniorentreffpunkt Oldenfelde. Allerdings erst, seitdem die rund 20 älteren Frauen, die den Treff täglich außer am Wochenende besuchen, das Spiel am 43 Zoll großen digitalen Aktivitätstisch spielen können. Die Figuren sind virtuell, doch sehr plastisch dargestellt und werden bewegt, indem man sie nur kurz berührt, auch der Würfel beginnt so zu rotieren.

„Dieser Tisch hier ist eine tolle Bereicherung für uns und hat einen richtigen Sogeffekt“, sagt Margarethe Stolle zwischen zwei Spielzügen. Die 72-Jährige ist ehrenamtliche Leiterin des AWO-Treffs und hat sofort zugestimmt, als die AWO den sogenannten CareTable als Modellprojekt in ihrer Einrichtung ausprobieren wollte. Es gibt auf dem Gerät Gedächtnisübungen wie Memory, man kann Vogelstimmen und Blumen bestimmen und auch sein Reaktionsvermögen erproben, indem man Gegenstände so schnell es geht wegdrücken muss – alles mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden.

Insgesamt 8200 Euro hat der Abendblatt-Verein gespendet

„Bisher werden solche Geräte vor allem in Pflegeheimen eingesetzt, aber wir denken, dass sie auch in Seniorentreffs hervorragend funktionieren“, sagt Kerstin Hoffmann, Referentin für Fundraising bei der AWO. Sie hat Hamburger Abendblatt hilft e. V. für eine Kostenübernahme angefragt – insgesamt 8200 hat der Verein dafür gespendet. Denn es geht bei dem Gerät nicht nur ums Spielen, sondern auch darum, den Senioren die digitale Welt näherzubringen. „Wir haben durch die Coronazeit erlebt, wie wichtig es auch für ältere Menschen ist, online zu sein, zumindest digital Kontakt zur Familie und Freunden zu halten oder auch Bankgeschäfte digital zu erledigen“, sagt Hoffmann.

Der Tisch funktioniert wie ein übergroßes Tablet, ist mit WLAN ausgerüstet, sodass auch Zeitschriften, Zeitungen, Youtube und andere Kanäle gelesen und angesehen werden können und Prozesse wie zum Beispiel Onlineanmeldungen beim Arzt, Google-Recherchen oder Onlineshopping für die private Anwendung zu Hause geübt werden können. „Viele überwinden damit ihre Scheu, ein Smartphone oder Tablet zu benutzen, wenn sie sehen, wie leicht das ist. Die meisten haben ja ein Handy zu Hause, aber viele benutzen es nicht“, sagt Stolle.

Die Bedienung ist einfach, fast intuitiv

Auch Karin Maselkowski hat von ihren Kindern ein Smartphone geschenkt bekommen, aber das liege vor allem in der Schublade, gibt die 83-Jährige freimütig zu. „Ich dachte immer, das ist viel zu kompliziert für mich. Jetzt habe ich verschiedene Sachen am Aktivitätstisch ausprobiert und finde die Bedienung sehr leicht, fast intuitiv. Hätte ich nie gedacht“, sagt die Wellingsbüttlerin. Sie hat sich nun für den Smartphone-Einführungskurs angemeldet, den Margarethe Stolles Ehemann Klaus (72) regelmäßig anbietet.

Karin Maselkowski kommt fast jeden Tag in den Treff, macht bei den Ausflügen mit, liebt vor allem die Sing- und Canastanachmittage. „Nach dem Tod meines Mannes gibt mir der AWO-Treff Halt im Leben“, sagt sie.

Mit Begeisterung machen die Seniorinnen Yoga am im Seniorentreff Oldenfelde.
Mit Begeisterung machen die Seniorinnen Yoga am im Seniorentreff Oldenfelde. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Ihre Sitznachbarin Anke Bohnhoff nickt zustimmend, auch für sie bietet die Einrichtung in Oldenfelde ein Ziel, gibt ihrem Alltag Struktur. „Mein Mann ist vor acht Jahren gestorben, ich habe keine Verwandten und zu Hause blase ich sonst Trübsal. Aber hier im Treff fühle ich mich sehr wohl, lache viel“, sagt die ehemalige Bankkauffrau. Allerdings leidet sie unter Gelenkschmerzen, ihre Finger sind steif. „Deswegen kann ich auch nicht Karten spielen, was hier alle so lieben“, sagt Bohnhoff.

Toll für Menschen mit Behinderung

Am Aktivitätstisch ist sie jedoch immer eifrig dabei. „Das Gerät ist toll für Menschen mit Behinderung, denn ich muss nicht greifen, sondern kann wischen oder berühren, das ist einfach“, sagt Bohnhoff. Auch beim Sitzyoga macht sie begeistert mit – wie alle an diesem Tag.

Dabei setzen sich die Teilnehmerinnen auf ihren Stühlen im Halbkreis um das Display, das Frau Stolle nun von der Waagerechten in die Senkrechte gedreht hat. „Äpfel klauen“ steht auf dem Programm. Eine junge virtuelle Frau, die auch auf einem Stuhl sitzt, gibt dabei langsam und deutlich Anweisungen. „So, jetzt laufen wir erst mal los“, sagt sie und die Seniorinnen trampeln mit den Füßen, sie recken und strecken sich, um auch an die obersten Äpfel heranzukommen, und „rennen“ ganz schnell vor dem Bauern davon. Dann rühren sie mit großen Kreisen virtuell einen Teig, schieben ihn in den Ofen.

Zum Abschluss Entspannungsübungen

Danach sind etliche der Frauen schon etwas kurzatmig, deswegen gibt es zum Abschluss auch noch Entspannungsübungen. „So ruhig wart ihr noch nie!“, ruft Margarethe Stolle in die Runde. Jetzt könnten alle wieder zum Kaffeetrinken an ihren Tisch zurückgehen. Doch die Seniorinnen möchten auch noch die 15 Minuten lange Rückenschule mit der jungen, virtuellen Frau machen. Karin Maselkowski geht an das Gerät, wischt, drückt und setzt sich wieder hin. „So, jetzt lassen wir alle mal ganz langsam nach vorne die Schultern kreisen“, tönt es angenehm ruhig aus dem CareTable.

Der Treff in Oldenfelde wurde bewusst als Modellprojekt ausgewählt, weil es in Farmsen und Berne zwei weitere dieser AWO-Einrichtungen gibt. Margarethe Stolle bietet den Senioren und Seniorinnen dort an, vorbeizukommen und den Aktivitätstisch auszuprobieren, aber sie ist auch gerne bereit, ihn anderen Hamburger Einrichtungen mit dieser Zielgruppe vorzustellen. „Der Tisch ist doch ein Gewinn für alle, er regt geistig an, man kann mit ihm Bewegungs- und Gedächtnisübungen machen und sogar das Hamburger Abendblatt darauf online lesen, das haben wir gleich so eingestellt“, sagt die engagierte Ehrenamtliche. Dann dreht sie sich zu Anke Bohnhoff um, zeigt auf ihren virtuellen Würfel und sagt mit einem breiten Lächeln: „Tut mir leid, Anke, aber ich schmeiß dich jetzt raus.“

Margarethe Stolle führt den CareTable gern nach vorheriger Anmeldung vor. Kontakt: AWO Seniorentreffpunkt Oldenfelde, Mo–Fr 14–18 Uhr, Greifenberger Straße 73. Tel. 647 12 29, E-Mail: awo-seniorentreff@gmx.net