Marita Brand und Victor Müller sind verwitwet. Sie haben sich über die Hamburger Plattform trosthelden.de kennen- und liebengelernt.

Dass Lachen und Weinen nah beieinanderliegen können, erleben Marita Brand (78) und Victor Müller (80) täglich. Manchmal muss die Witwe nur eine Melodie im Radio hören und schon überfluten sie die Erinnerungen an ihren verstorbenen Ehemann Dieter. „Dann tut es gut, wenn mich Victor in den Arm nimmt und tröstet“, sagt Marita Brand. „Da wir beide das gleiche Schicksal erlebt haben, können wir auf einer tiefen Ebene miteinander kommunizieren. Ich habe das Gefühl, als würden wir uns schon ewig kennen.“

Dabei haben die Senioren, die beide 2021 nach längerer Zeit der intensiven Pflege ihre langjährigen Ehepartner verloren haben, erst Anfang dieses Jahres den Mut gefasst, in ihrer bodenlosen Trauer neue Wege zu gehen: Beide hatten in den Medien von „www.trosthelden.de“, der weltweit ersten digitalen Trauerfreund-Vermittlung, gehört und sich dort auf die Suche nach einem passenden Gegenüber begeben. In den detaillierten Fragebogen trugen sie ihre Angaben zum Todesfall, den familiären Verhältnissen und ihrem individuellen Umgang mit der Trauer ein und konnten nach der Anmeldung zu gleichsam Betroffenen Kontakt aufnehmen. „Die Einsamkeit hat mich kaputt gemacht, und ich brauchte dringend jemanden zum Reden“, sagt Victor Müller. „An Maritas Profil hat mir gefallen, dass sie sich darum bemüht hat, mit Zuversicht nach vorn zu blicken.“

Fotos der Verstorbenen ausgetauscht

Der Witwer aus Hamburg schrieb der Seniorin über die leicht bedienbare Online-Plattform ein paar Zeilen, die sie mit ihrer Einfühlsamkeit tief bewegten. Bald schickten sie sich Fotos, die sie zusammen mit ihren verstorbenen Partnern zeigten. Dann begannen sie über Videotelefonate miteinander zu sprechen und sich gegenseitig in Krisenmomenten beizustehen. Nach einem Monat besuchte Victor Müller seine „Trostheldin“ das erste Mal in ihrem Zuhause in Extertal.

Während sich über das Internet-Portal schon manche freundschaftliche Verbindung im analogen Leben ergeben hat, stellten die beiden Senioren bald fest, dass sie mehr als nur Sympathie miteinander verband. „Ich habe keine neue Partnerin gesucht. Und ich weiß, dass ich meine verstorbene Frau Karin bis an mein Lebensende lieben werde“, sagt Victor Müller. „Aber ich bin auch sehr dankbar, dass ich durch die Verbindung zu Marita wieder Lebensmut bekommen habe. Wir haben beide das Gefühl, dass wir es zusammen schaffen können, unsere Trauerarbeit zu leisten und gleichzeitig wieder so etwas wie Glück zu empfinden.“

Verständnis für neuen Lebensentwurf

Bald besuchten beide miteinander die Gräber ihrer früheren Partner. Seit einigen Wochen pendelt das Paar nun zwischen den 200 Kilometer voneinander entfernten Wohnorten und lernt Stück für Stück die Familie und den Freundeskreis des anderen kennen. Bei diesen Treffen müssen sie manchmal auch um Verständnis für ihren neuen Lebensentwurf werben. „Es kamen auch Fragen danach, wie ich meine verstorbene Frau nach 60 Jahren Ehe so schnell gegen eine neue Partnerin austauschen könne“, sagt Victor Müller. „Dann erzähle ich offen von meinen Gefühlen: Unsere verstorbenen Partner werden niemals austauschbar sein. Es geht vielmehr darum, sie in unser gemeinsames Leben zu integrieren.“

Mutig stellen sich beide der Herausforderung, dem neuen Partner von eigenen Erinnerungen zu erzählen, ihren Verstorbenen Wertschätzung zu erweisen und gleichzeitig selbstbewusst ein neues Miteinander zu leben. Zu dieser Gratwanderung gehört auch, Grenzen und Erinnerungsräume des anderen zu respektieren. „Victor schwärmt oft vom Käsekuchen seiner Frau“, erzählt Marita Brand lächelnd. „An diesem Kuchen würde ich mich nie versuchen. Aber ich weiß, dass ich Kuchen backe, der ihm auch gut schmeckt. Anders gut eben.“

Weitere Infos: www.trosthelden.de