Die Hamburger Stiftung Altenhilfe St. Johannis schenkte einem Wohn- und Arbeitsprojekt für junge Menschen mit Behinderung ein Auto.

Sichtlich zufrieden isst Marie-Sophie Bertram auf der luftigen Galerie des Robben Cafés ein Stück Käsekuchen. „Das ist doch schön, auch mal selber hier zu sitzen, anstatt zu bedienen“, sagt die 25-Jährige zu ihrer Mutter, die ihr gegenübersitzt – gemeinsam mit weiteren Eltern, Pflegedienstmitarbeitern und anderen Bewohnern des Projekts Wilde Rosen/Allmende. Etliche der überwiegend jungen Frauen und Männer, die in der Einrichtung für Menschen mit Behinderung leben, haben heute früher aufgehört, in den Werkstätten zu arbeiten. Denn sie erwarten alle Carsten Mai von der Stiftung Altenhilfe St. Johannis, der ihnen ein riesiges Geschenk mitbringt: einen Mercedes-Sprinter mit Rollstuhlrampe. Denn die Bewohner des Altenpflegeheims benötigen das große Gefährt nicht mehr, der Vorstand will es spenden.

Deswegen hatte Carsten Mai Mitte Februar gemeinsam mit der Abendblatt-Redaktion „Von Mensch zu Mensch“ soziale Initiativen aufgefordert, sich um den gebrauchten Transporter zu bewerben. Rund 20 Bewerbungen von Behinderteinrichtungen über Seniorentreffs bis zu Privatfamilien hatten sich um den Sprinter bemüht – der Elternverein „Die Robben“ überzeugte am meisten.

Rund 20 Bewerbungen für den Sprinter

„Alle Bewohner dieses Projekts sind Sozialhilfeempfänger und somit sind allen Aktivitäten schnell Grenzen gesetzt. Sie haben alle sehr komplexe Behinderungen, viele sind immobil, da sie im Rollstuhl sitzen. Ihre Möglichkeiten, mal rauszukommen, sind also sehr eingeschränkt“, schrieb Maike Miethner, Mutter von Max, in ihrer Bewerbung ans Abendblatt. Der 25-Jährige ist Rollifahrer, spricht nicht, aber liebt es, wenn es um ihn herum lebendig ist. Deswegen ist er im dem inklusiven Wohnprojekt Wilde Rosen/Allmende so gut aufgehoben. Es befindet sich in Ahrensburg auf einem großzügigen, üppig grünen Areal, auf dem sich eine ökologisch und anthroposophisch geprägte Gemeinschaft von Menschen mit und ohne Behinderung angesiedelt hat.

Künstler, Rechtsanwälte, Polizisten und Therapeuten haben bunt und rund gestaltete Eigentumswohnungen gekauft. In drei langen, flachen Mietshäusern wohnen zudem 36 Menschen mit Behinderungen – der Jüngste ist 19, der Älteste 55. Sie haben alle barrierefreie Einzelzimmer-Apartments, es gibt große Gemeinschaftsräume mit bequemen Sofas und sonnigen Terrassen. „Für uns war dieser Platz wie ein Sechser im Lotto, weil Max hier individuell betreut wird. Sonst hätten wir ihn weiter zu Hause betreuen oder in ein Pflegeheim geben müssen, die oft auf junge Menschen gar nicht eingestellt sind“, sagt Maike Miethner, die am Wochenende als Präsenzkraft Wünsche der Bewohner erfüllt.

Recht auf selbstbestimmtes Leben

Das Problem der Unterbringung von jungen Erwachsenen mit Behinderung brachte vor 20 Jahren zehn Eltern zusammen, deren Kinder ins Hamburger Friedrich-Robbe-Institut, eine Privatschule für behinderte Schüler, gingen. „Wir alle haben nicht gewusst, wie es nach dem Schulabschluss unserer Kinder mit ihnen weitergeht. Sie haben doch auch ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben außerhalb des Elternhauses“, sagt Manfred Gericke (68), der den Verein „Die Robben“ 2002 mitgründete.

Zehn Jahre dauerte die Suche und Entwicklung eines Wohn- und Arbeitsprojekts, das nun seine Heimat in Ahrensburg gefunden hat. Die Häuser wurden von der Benno und Inge Behrens Stiftung gebaut, die Herman-Jülich Werkgemeinschaften betreiben auf dem Gelände und dem benachbarten Gut Wulfsdorf eine Textilwerkstatt, eine Pferde- und Gartenwerkstatt sowie zwei Tagesförderstätten, die auch anderen Menschen mit geistiger Behinderung offenstehen.

Eltern und Bewohner des inklusiven Projekts auf der Terrasse vdes Cafés Robben: Manfred Gericke, Christian Lampe, Erik Lampe, Mitra Bertram, Marie-Sophie Bertram (v.r.)
Eltern und Bewohner des inklusiven Projekts auf der Terrasse vdes Cafés Robben: Manfred Gericke, Christian Lampe, Erik Lampe, Mitra Bertram, Marie-Sophie Bertram (v.r.) © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia/Hamburger Abendblatt

Vor sieben Jahren ist noch das Café Robben hinzugekommen, das mit seinen schönen Räumen und der großen Terrasse nicht nur Treffpunkt für alle Bewohner des alternativen Wohnprojekts ist, sondern auch jungen Frauen wie Marie-Sophie Bertram, die das Down-Syndrom hat, einen tollen Arbeitsplatz in der Küche und im Service bietet.

Pflegekräfte dringend gesucht

„Ich möchte hier nie mehr weg und auf keinen Fall zurück zu meinen Eltern. Ich habe so eine schöne Wohnung und die Arbeit ist auch toll“, sagt Marie-Sophie Bertram. Sie ist bereits mit 18 Jahren ins Haus am Dorfplatz eingezogen. Ihrer Mutter fiel es etwas schwerer, ihr ältestes Kind ziehen zu lassen, „aber sie ist so glücklich und aufgehoben hier“, das beruhige ungemein, sagt Mitra Ber­tram.

Betreut werden die Menschen mit zum Teil sehr hohem Assistenzbedarf von den rund 70 Mitarbeitenden des Pflegedienstes „Die Robben Wulfsdorf“, der sowohl aus pädagogischem als auch Pflegepersonal besteht. „Für mich ist das hier ein Traumjob“, sagt Krankenschwester Linda Baum. Denn den Zeitdruck, den andere Pflegekräfte in Heimen und Kliniken hätten, habe sie nicht. „Ich kann frei bestimmen, was ich mit den Klienten mache, manchmal setze ich mich mit ihnen einfach auf ihre Terrasse und wir genießen zusammen den Tag.“

Spontane Ausflüge zum See jetzt möglich

Nur ein großer Transporter fehlte noch zum Glück – denn spontane Ausflüge an die See, die Mitnahme von Rollifahrern zum Einkaufen oder zu Freizeittreffs waren bisher nicht möglich. „Das ist einfach nur sensationell, wir konnten unser Glück nach der Zusage gar nicht fassen“, sagt Maike Miethner.

Und Carsten Mai freut sich über so viel Glückseligkeit, denn etliche Bewohner probierten gleich mal die elektrische Rampe des Wagens aus. „Hier haben wir genau das richtige Projekt für unseren Sprinter ausgesucht. Viel Freude damit“, wünschte der 60-Jährige.

Das inklusive Projekt sucht dringend Pflegekräfte. Infos: www.dierobben.de