Fotograf Florian Jaenicke hat das Leben mit seinem behinderten Sohn in einem Buch und im Podcast „Von Mensch zu Mensch“ beschrieben.

Alles begann mit einem Foto, das Florian Jaenicke vor einigen Jahren von seinem Sohn Friedrich im sozialen Netzwerk Instagram veröffentlichte - auf dessen Account. Das machen ja viele, und trotzdem war dieser Beitrag besonders: Florian Jaenicke begründete damit, warum er Friedrich mit einem eigenen Konto bei Instagram angemeldet hatte: „Mein Sohn ist gerade 13 geworden, ein Alter, in dem die sozialen Medien für Jugendliche das Größte sind. Also dachte ich, er sollte das auch haben. Ich denke aber auch, dass eine mehrfache Schwerstbehinderung und Entwicklungsverzögerung meinen wundervollen Jungen nicht davon abhalten sollten, ein Star zu werden.“

Dass es tatsächlich wenig später dazu kommen sollte, hätte Florian Jaenicke nicht für möglich gehalten. Seit Friedrichs Geburt im Jahr 2005 hatte der Münchner Fotograf das Leben seines Sohnes mit der Kamera festgehalten - den schwierigen Start sowie die herausfordernden Monate und Jahre darauf. Friedrich lebt seit seiner Geburt mit einem Hirnschaden, er kann weder sprechen noch Augenkontakt halten.

Die „Zeit“-Kolumne war ein riesiger Erfolg

Eine schwierige Vorstellung für Menschen, die bislang keine Berührungspunkte hatten mit Geschichten, die von behinderten Kindern erzählen, von den vielen Fragen, die damit einhergehen, dem Schmerz und der Überforderung, von dem ganz alltäglichen Wahnsinn. Und von dem ganz großen Glück.

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Umso erstaunlicher (oder auch nicht) war und ist der Erfolg der Kolumne „Wer bist du?“, die das Jahr 2019 über jede Woche eine ganze Seite im „Zeit Magazin“ füllte und Bilder aus Friedrichs Leben zeigte, ergänzt durch ein paar persönliche, oft tief berührende Zeilen. Sie erklärten, was auf den Fotos zu sehen ist und was die Situation mit den Eltern gemacht hat. Weil bei Friedrich eben nicht „alles wieder gut“ geworden ist, was auch immer diese Floskel bedeuten soll.

Ein Buch, das das Denken verändern wird

Aber genau davon wollten die Leserinnen und Leser immer mehr wissen, wollten mit Florian und Susanne Jaenicke noch einmal auf die Reise gehen, die den beiden Eltern so viel Kraft abverlangt und so viele überglückliche Momente bereitet hat.

Die Reaktionen darauf, erzählt Florian Jaenicke in der neuen Folge des Abendblatt-Podcasts „Von Mensch zu Mensch“, hätten ihn und seine Frau mitunter überwältigt. Entstanden ist daraus ein Buch, das vielleicht irgendwann einmal eingehen wird in die Liste der Bücher, die das Denken über behinderte Kinder verändert haben. Ich selbst kann es nicht anschauen, ohne zu weinen.

Florian Jaenicke erzählt im Podcast über den Alltag mit Friedrich und dessen Bruder Georg, über die Notwendigkeit, Kindern mit Behinderung mehr Sichtbarkeit zu verschaffen, in den Medien – und überhaupt in der Gesellschaft. Sie zu zeigen, mit ihrer ganzen Persönlichkeit, nicht nur mit ihrer Diagnose. Als Beispiel erzählt er von Bildern mehrfach schwerstbehinderter Kinder in einer Kita, die er für ein freies Projekt gemacht hatte und anschließend Bekannten zeigte, die daraufhin sagten: Aber die sehen ja völlig normal aus.

Ja das sind sie auch! Ganz normale Kinder.

Florian Jaenicke: „Wer bist du? Unser Leben mit Friedrich“, Aufbau Verlag, 176 Seiten, 24 Euro.