Schüler und ältere Menschen genießen gemeinsam eine Kulturveranstaltung – das ist eigentlich das Konzept des Vereins Kulturistenhoch2. Doch die Museen, Theater und Konzertsäle waren während der Corona-Pandemie geschlossen, der Kontakt zwischen Älteren und Jüngeren massiv eingeschränkt. Flugs organisierte die soziale Initiative im Herbst 2020 eine kreative Alternative: das Projekt KH2biografisch. Schülerinnen und Schüler sollten Senioren zu ihren Erfahrungen, Erinnerungen und der Bedeutung von Kunst und Kultur in ihrem Leben interviewen. Ziel war dabei auch, die Älteren aus ihrer Isolation zu holen. Aus den vielen Geschichten der insgesamt 20 Tandems soll nun ein Buch entstehen.
„Ich fand es unglaublich spannend, die Lebensgeschichte von einer älteren Dame zu hören“, sagt Florian Behrens, der die 61 Jahre alte Künstlerin Brigitte Thoms online in einer Zoom-Konferenz interviewt hat. „Sie hat mir von ihrer schweren Schulzeit berichtet und dass sie sich immer über Kunst ausdrücken konnte. Das war ihr eine große Hilfe“, berichtet der Abiturient. Er habe sich vor allem auch daran gefreut, „wie begeistert meine Interviewpartnerin war, dass ich mich so für ihr Leben interessiere.“ Als Leitfaden diente eine Box mit vorgefertigten Fragen, von denen die Schüler jedoch auch abweichen konnten. „Aber sie haben geholfen, gut ins Gespräch zu kommen“, berichtet der 18-Jährige.
Lebenserfahrung miteinander teilen
Während Florian schon vielfach mit unterschiedlichen Senioren in der Oper, Laeisz- und Kunsthalle war, traf sich die Schülerin Hannah Kasmina zuletzt vor allem mit Wolfgang Holz, der bei ihr in der Nähe in Bramfeld in einem Seniorenwohnheim wohnt. „Wolfgang und ich waren davor bei einigen Kulturevents und sind in der Corona-Zeit auch immer wieder spazieren gegangen“, erzählt die 17-Jährige. Was lag also näher, ihn im April auch für die Interview-Reihe zu befragen?
Kunst und Kultur spielten im Leben des 73-Jährigen allerdings lange Zeit kaum eine Rolle, er lebte fast 15 Jahre auf der Straße. „Ich fand es schön, mit Hannah so offen über meine Erlebnisse und meine harte Zeit zu reden. Für mich war das eine ganz neue Erfahrung“, erzählt Holz, der zugab, dass dabei auch ein paar Tränen geflossen seien. Hannah fand „diesen Austausch unglaublich toll, ich konnte viel von seiner Lebenserfahrung lernen. So etwas würde ich vielen anderen Schülern auch empfehlen.“
Interview inspiriert zum Museumsbesuch
Nach Projektende gab es mit den teilnehmenden Schülern im Mai einen Online-Evaluierungsworkshop. „Dort konnten wir erfahren, dass nicht nur die Senioren und Seniorinnen sehr interessiert daran sind, ihre Lebensgeschichte und Aspekte von Kunst und Kultur zu teilen. Viele Schülerinnen und Schüler wurden von den Gesprächen derart inspiriert und motiviert, dass Impulse bis in die eigene Lebenswelt reichten“, berichtet Christine Worch, Projektleiterin von Kulturistenhoch2. So ging zum Beispiel Florian anschließend an sein Gespräch mit Künstlerin Thoms mit seiner Familie ins Museum und tauschte sich dort intensiv über die Kunst mit seinen Eltern und Geschwistern aus.
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