Lebensberatung

Herzkümmerin: Coach berät Menschen mit Liebeskummer

| Lesedauer: 6 Minuten
Sabine Tesche
Die Liebeskummerexpertin Heike Klopsch nennt ihre Agentur „Herzkümmerei“

Die Liebeskummerexpertin Heike Klopsch nennt ihre Agentur „Herzkümmerei“

Foto: Thorsten Ahlf / THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

In der Vorweihnachtszeit gibt es die meisten Trennungen. Heike Klopsch hilft Menschen, Schmerz zu überwinden und den Ex zu entzaubern.

Es traf sie komplett unvorbereitet. Er kam nach der Arbeit heim wie immer und bat sie um ein Gespräch. Dann sagte er, dass er sie nicht mehr liebe und er mehr vom Leben wolle als das, was er habe: ein Kind, eine Eigentumswohnung und eine unaufgeregte Ehe. Für sie brach eine Welt zusammen. Sie liebte genau dieses Leben, das ruhige Fahrwasser – ihn. Er zog aus, in eine andere Stadt, fand schnell eine neue Partnerin, ließ sie zurück mit dem Kind und einer unbezahlten Eigentumswohnung.

Sie war Anfang 50 und dachte, das sei das Ende vom Leben. „Es hat einfach immer nur wehgetan, ich habe kaum geschlafen und Monate gebraucht, um mich zu berappeln. Vor allem die Einsamkeit, die ich gerade an Wochenenden spüre, ist schrecklich“, sagt sie. Ihr graut vor Heiligabend, er verließ sie kurz davor. Die meisten Trennungen passieren statistisch gesehen in der Vorweihnachtszeit und kurz vor Ostern.

Die Trennung beherrschte ihr Leben

Den Schmerz, die Trauer, die Einsamkeit – all das kann Heike Klopsch Menschen nicht nehmen. Diese Gefühle gehören fast immer zu einer Trennung, aber die 55-Jährige hilft dabei, diesen Ausnahmezustand zu überwinden. Vor einem Jahr hat sie die Agentur Herzkümmerei gegründet, in der sie neben ihrem Beruf als Karrierecoach und Weiterbildungsexpertin Menschen mit akutem Liebeskummer berät.

Auslöser war eine Klientin, die sie in Karrierefragen beriet, mit der sie jedoch nicht vorankam. „Denn der Liebeskummer, den sie hatte, beherrschte ihr Leben. Also haben wir zuerst daran gearbeitet und ich habe gemerkt, dass mich das Thema reizt und dass es da einen großen Bedarf gibt“, sagt die Hamburgerin, die verheiratet ist und eine erwachsene Tochter hat.

Manche haben sogar Selbstmordgedanken

In der Öffentlichkeit wird Liebeskummer gern bagatellisiert, das ist doch etwas, das Teenager haben und schnell überwinden. Aber manche verlassene Menschen trauern um Verflossene wie um einen toten Angehörigen, viele plagen sogar Selbstmordgedanken, wie der Verhaltensforscher Michael Bechinie von der Universität Wien in einer Studie Ende der 90er-Jahre feststellte. Menschen mit Liebeskummer sind in einer extremen Stresssituation, bei der es neben seelischen auch zu körperlichen Leiden kommen kann.

Medizinisch anerkannt ist das Broken-Heart-Syndrom, eine Herzmuskelerkrankung, die durch starken emotionalen Stress ausgelöst wird. Betroffene haben ähnliche Symptome wie bei einem Herzinfarkt mit begleitender Herzschwäche. Im Gegensatz zu vielen anderen Herzmuskelerkrankungen heilt diese Form bei den meisten Patienten nach einigen Wochen wieder vollständig aus.

Die vier Phasen des Liebeskummers

Der Psychiater und Psychotraumatologe Prof. Günter Seidler erklärt in einem Interview mit „Geo Wissen“, dass Liebeskummer in vier Phasen abläuft: „Die erste beginnt mit der eigentlichen Trennung. Unmittelbar nach dem Ereignis verleugnen die Betroffenen das Geschehen: Sie wollen nicht wahrhaben, dass ihr Partner sie verlässt, sie appellieren an dessen Liebe und versuchen, um ihre Beziehung zu kämpfen. Die zweite Phase kennzeichnen Protest und Hadern. Betroffene fühlen sich falsch behandelt, entwickeln Groll und zuweilen Rachefantasien.

Dann folgt die Phase der Selbstreflexion, in der die Beziehung und die eigene Rolle darin stärker infrage gestellt werden. Und schließlich eine Phase der Neuorientierung, des Neuanfangs.“ Ähnlich beschreibt das auch Beraterin Heike Klopsch in ihrem Blog, den sie zu dem Thema schreibt.

Wir müssen neue Pfade gehen

Wer in der ersten akuten Phase zu ihr kommt, erhält eine „Erste-Hilfe-Versorgung“. „Ich schaue, was die Klienten brauchen, treffe die Vereinbarung mit ihnen, dass sie regelmäßig essen und schlafen müssen, schicke sie zum Arzt, wenn es ihnen körperlich schlecht geht und lasse sie erzählen“, sagt Klopsch.

Außerdem rät sie ihnen, Erinnerungen loszuwerden: Also Bilder wegzuräumen, Möbel umzustellen, gemeinsame Rituale wegzulassen – zum Beispiel sonntags im Bett zu frühstücken – und neue Wege zu gehen. Man kann stattdessen mit Freunden brunchen, ein Ehrenamt übernehmen oder ins Fitnessstudio gehen.

Klopsch vergleicht das menschliche Gehirn mit einer Straße. „Wir lieben feste Strukturen, fahren gern immer die gleiche Autobahn entlang. Das geht jetzt nicht mehr, wir müssen neue Pfade gehen, damit neue neuronale Verbindungen schaffen und die alte Straße zuwuchern lassen. Doch alte Bahnen zu verlassen, tut sehr weh und braucht Zeit.“

Wie gut waren der Sex, die Gespräche, das Familienleben?

Wenn die Akutphase vorbei ist, fängt ihre eigentliche Arbeit an. Dann geht es darum, sich auf die eigenen Ressourcen zu besinnen. „Viele haben einen Tunnelblick, sie denken Liebe weg, Leben weg. Aber es gibt noch Freunde, Familie, die Gesundheit, den Job – auf das können sie zurückgreifen. Ich versuche, mit ihnen den Fokus zu verrücken“, sagt Klopsch.

Sie hilft dabei, das angegriffene Selbstwertgefühl wieder aufzubauen. Dazu stellt sie ihren Klientin Fragen: Was hast du alles alleine geschafft im Leben? Welche Krisen hast du schon gemeistert? Und es geht auch darum, die Partnerschaft zu analysieren, eigene Fehler zu sehen, aber auch die des Partners. Was hatte ich für Erwartungen an die Beziehung, und wurden diese erfüllt? Hat er oder sie mich unterstützt oder gebremst?

Manchmal helfe dabei, eine Punktetabelle von eins bis zehn aufzustellen: Also wie gut waren der Sex, die Gespräche, das Familienleben? „Es geht dabei um die Entzauberung des Ex-Partners“, sagt Klopsch. Und es geht darum neue Perspektiven zu entwickeln.

Trennungsprobleme nicht verdrängen

Wer stark ist, kann das auch alleine bewältigen. Doch Heike Klopsch rät dringend davon ab, die Trennungsprobleme zu verdrängen. Die Zeit heile zwar die Wunden, „aber wenn man eine Sache nicht abschließt, holt das Gehirn immer wieder Erinnerungen hoch. Das kennen wir von der Arbeit: Erst wenn man einen wichtigen Vorgang abgeschlossen hat, ist er aus den Gedanken raus und man kann sich Neuem zuwenden.“

Infos: www.herzkuemmerei.de