Demenz

Mit „Atemfreude“ entspannen auch demente Senioren

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Martina Petersen
 Die Bewohnerinnen Dora Capell (87, l.) und Ursula Krönke (90) aus der Kursana Residenz Hamburg über die Atemkurse von Marie Krüerke (35)

Die Bewohnerinnen Dora Capell (87, l.) und Ursula Krönke (90) aus der Kursana Residenz Hamburg über die Atemkurse von Marie Krüerke (35)

Foto: Kursana Residenz

Die Logopädin Marie Krüerke hat eine Bewegungstherapie entwickelt, mit denen Ältere körperlich und seelisch besser loslassen können

Wenn Dora Capell (87) und Ursula Krönke (90) über ihre Erlebnisse bei der wöchentlichen „Atemfreude“-Gymnastik in der Kursana Residenz Hamburg erzählen, beginnen ihre Augen zu strahlen. „Marie Krüerke schafft es immer wieder, uns mit ihren erlebnisreichen Atemübungen mitzureißen“, sagt Ursula Krönke, die seit mehr als zwei Jahren bei der Seniorengruppe mitmacht. „Bei den Stunden kann ich körperlich und seelisch gut loslassen. Hinterher habe ich keine Verspannungen mehr, ich bekomme besser Luft und habe lange ein Lächeln auf den Lippen.“

Die beiden Bewohnerinnen freuen sich darüber, dass die ausgebildete Logopädin ihr erfolgreiches Konzept jetzt in Buchform veröffentlicht hat: „Atemfreude“ (29,90 Euro, Vincentz-Verlag) gibt Mitarbeitern in Senioreneinrichtungen 14 komplett ausgearbeitete Gymnastikstunden an die Hand, die leicht in der Praxis umzusetzen sind.

Fantasiereisen an den Badesee

„Als ich vor zweieinhalb Jahren in der sozialen Betreuung der Residenz zu arbeiten begann, wünschte sich die Leitung, dass ich zum Thema Atmung und Bewegung eine Gruppe aufbaue“, erzählt Marie Krüerke. „Dazu sind mir als Erstes die plastischen Übungen, die von Assoziationen leben, eingefallen. Ich wollte ein heiteres Therapiekonzept entwickeln, bei dem auch gesundheitlich eingeschränkte und demenziell erkrankte Senioren mitmachen können. Manchmal überrascht es mich selbst, dass der Zauber der spielerisch angelegten Atemfreude-Übungen bis heute anhält.“

Marie Krüerke stellt jede halbstündige Übungseinheit unter ein Motto und baut in der Mitte des Stuhlkreises ein passendes „Bühnenbild“ auf: Die gemeinsame Fantasiereise kann an den Badesee, in den Zirkus oder auf den Wochenmarkt gehen. Die Renovierung eines Zimmers fürs Enkelkind kann ebenso Thema sein wie die Hochzeit des britischen Prinzen Harry. Ein Gedicht stimmt die Senioren auf das Geschehen ein, alle Übungen werden aus dem Kontext entwickelt. Kleine Überraschungen wie das Lutschen von Gummibärchen oder das Pusten von Seifenblasen gehören dazu.

Erinnerungen werden aktiviert

Das Konzept ist darauf angelegt, die Senioren aus der Reserve zu locken, ihre Erinnerungen zu aktivieren und mit einem „Denkzettel“ am Ende nachhaltige Wohlfühl-Impulse zu geben. Wenn sie zum Abschluss gemeinsam ein Lied anstimmen, machen die Senioren die Erfahrung, dass ihre Stimmen durch die vertiefte Atmung und die aufrechtere Haltung deutlich klarer und kräftiger klingen. Eine Umfrage unter den rund 20 Teilnehmern, die die Gruppe regelmäßig besuchen, hat ergeben, dass sich fast alle nach der „Atemfreude“ entspannt und aufgemuntert fühlen und sich ihre Atmung zum Positiven verändert hat. Ein Drittel gab sogar an, weniger Schmerzen zu haben. „Ich fühle mich nach der Stunde wie befreit“, betont Dora Capell und demonstriert, wie sie durch das moderate Training die Schultern leichter fallen lassen und den Brustkorb weiten kann. „Mittlerweile mache ich einige Übungen jeden Morgen vorm Spiegel.“ Und Ursula Krönke ergänzt: „Wenn die Luft knapp wird, stütze ich mich beim Gehen auf den Rollator. Das macht die Brust eng und führt zu Verspannungen. Die Atemfreude hilft mir, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.“

Auf ihrer Internetseite www.atemfreude.de bietet Marie Krüerke kostenfrei einige Atemgymnastik-Stunden zum Herunterladen und Ausprobieren an.